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Mediensammlung Werner Nekes : Sehen, wie wir das Sehen lernten

  • -Aktualisiert am

Drei Institutionen mussten zusammenlegen, um die kostbaren Objekte zu kaufen: Werner Nekes’ Mediensammlung wurde nun in Köln präsentiert. Sie dürfte noch einige Überraschungen bereit halten.

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          Optische Medien definiert der Medienarchäologe Friedrich Kittler als Techniken, „die Grenzen der Sichtbarkeit sozusagen unter Mißbrauch oder Umgehung der Sonne zu verschieben“. Was sich in dieser Verschiebung manifestiert, ist eine Geschichte des Sehens und damit nicht weniger als eine Geschichte der Menschheit. Welche apparativen und technischen Dimensionen das tief in die Vormoderne zurückreichende prometheische Unterfangen eines aktiven, lichten Sehens hat, das zeigt indes besser als jede Theorie die in ihrer Breite, Qualität und Verspieltheit vermutlich weltweit einzigartige Sammlung optischer Medien, die der forschende Künstler Werner Nekes über Jahrzehnte zusammengetragen hat. Sie enthält 25.000 staunenswerte Objekte von frühen Bildmaschinen (wie Laternae magicae oder Camerae obscurae) über Guckkästen, Projektoren, Grafiken, optische Spielzeuge und Schattenfiguren bis hin zu einer spezialisierten, in Teilen sehr wertvollen Bibliothek.

          Dreieinhalb Jahre nach Nekes’ Tod konnte die bis dahin in einem mythenumrankten Fabrikkeller in Mülheim an der Ruhr untergebrachte Sammlung kürzlich von der Theaterwissenschaftlichen Sammlung (TWS) der Universität zu Köln (fünfzig Prozent), dem Deutschen Filminstitut & Filmmuseum (DFF) in Frankfurt am Main (29 Prozent) und dem Filmmuseum Potsdam (21 Prozent) gemeinsam angekauft werden. Der Kauf zu einer nicht kommunizierten Summe wurde erheblich gefördert durch Bund, Länder und weitere Stiftungen.

          Was für eine Aussicht: Eiffelturm-Laterna-magica (1889)
          Was für eine Aussicht: Eiffelturm-Laterna-magica (1889) : Bild: Hermann und Clärchen Baus

          Lastwagenweise trafen vor zwei Monaten die kostbaren Stücke im Schloss Wahn bei Köln ein, dem mondänen Sitz der TWS. Weiß behandschuht, führten dort jetzt TWS-Direktor Peter Marx, Thomas Worschech vom DFF und weitere Mitarbeiter Journalisten ihren Schatz vor. Und so aufgeregt begeistert sieht man gestandene Forscher wohl nur selten. Sie hielten Lampen hinter Lithophanien aus Biscuitporzellan, ließen Zoetrope rotieren, klappten Lumière-Kinematographen auf, streichelten riesige Daumenkinogeräte und zeigten Schattenköpfe, die sich in Spazierstockknäufen versteckten. Es kann verwundern, wie ausgefeilt stereoskopische Tiefeneffekte und andere Blickumlenkungen schon vor Jahrhunderten waren. Man sieht hier geradezu, wie wir sehen lernten. Natürlich sind die meisten der Gerätschaften bekannt, zumal auch Nekes sie permanent verlieh, aber in den Details und theatralen Dekors verbergen sich laut Marx noch unzählige Überraschungen, deren Erforschung die Geschichte der visuellen Kultur fortschreibe.

          Im Schloss Wahn wird die Sammlung über Nekes’ Objektlisten hinaus erschlossen; der Projektantrag bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft ist gestellt. In ein bis zwei Jahren erfolgt dann eine anteilsgemäße Aufteilung auf die drei Institutionen. Den Sammlungszusammenhang soll eine digitale Dokumentation bewahren. Entgegen einer jüngst laut gewordenen Kritik scheint dieses Vorgehen sinnvoll zu sein, denn wie Axel Freimuth, der Rektor der Universität zu Köln, bei der aufwendigen Präsentation des Ankaufs sagte, sind angesichts der Größe der Sammlung drei renommierte Standorte schlicht besser als nur einer (mögen auch monetäre Gründe den Ausschlag gegeben haben). Ein eigenes Museum in Mülheim wäre zwar schön gewesen, aber die konservatorische und ausstellungstechnische Expertise ist bei den neuen Eigentümern mindestens ebenso groß. Hinzu kommt nun ein wissenschaftlicher Fokus, den diese optischen Medien verdient haben. Die Aufteilung dürfte keine Schwierigkeiten machen, denn obwohl nur selten identische Objekte vorhanden sind, gibt es doch viele einander ähnliche.

          Alle drei Institutionen erarbeiten bereits Konzepte für die Präsentation der Neuerwerbungen: In Frankfurt werden sie die Dauerausstellung erweitern (Nekes hat das 1984 eröffnete DFF inhaltlich mitkonzipiert), in Potsdam sollen sie im Depotneubau neben der Filmuniversität gezeigt werden, und auch in Köln, wo die Forschung im Vordergrund steht, gibt es Verhandlungen mit diversen nordrhein-westfälischen Museen. Zudem ist eine Wanderausstellung zur Weltgeschichte des Sehens geplant. Die auf Künste und Techniken gestützte Verschiebung der Sichtbarkeit wird dank der Sammlung Nekes also eine neue Sichtbarkeit erhalten, und das ist eine sichtlich gute Nachricht.

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