Zum Tod von Pierre Brice : Der Unsterbliche
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Pierre Brice (1929 bis 2015) und seine größte Rolle Bild: dpa
Die „Winnetou“-Filme der sechziger Jahre erscheinen heute fast unverständlich. Man sieht sie trotzdem gern wieder. Ihre Ausstrahlung verdanken sie allein Pierre Brice. Zum Tod des vielleicht größten Filmstars, den das deutsche Kino hervorgebracht hat.
Was einen echten Filmstar von einem gewöhnlichen Schauspieler unterscheidet, das, so geht jedenfalls die amtliche Definition, ist der Umstand, dass kein Mensch im Publikum mehr unterscheiden kann zwischen der Rolle und der Person, die diese Rolle spielt, und insofern war Pierre Brice vielleicht der größte Filmstar, den das deutsche Kino je hervorgebracht hat, durch und durch der Mescalero Winnetou, der indigene Amerikaner, wie man heute sagen würde. Und dass er zugleich Franzose war, was man, wegen des charmanten Akzents, auch immer hörte, war ja insofern kein Widerspruch, als die große Zeit Winnetous ja zugleich jene Nachkriegszeit war, in der die Deutschen sich mit beiden versöhnen wollten, mit Franzosen und Amerikanern.
Die Filme rund um Winnetou sind ja, wenn man sie heute, als Erwachsener, wiedersieht, fast unverständlich, weil sie weder eine Handlung haben, noch das, was wir sonst „Action“ nennen, nichts, was mit dem Western, wie ihn die Amerikaner erfunden haben, mithalten könnte. Und dass man sie trotzdem gerne sieht, das verdanken sie vor allem Pierre Brice, seinem Zauber, seiner Präsenz, die zugleich genau die Abgehobenheit hatte, welche Karl May sich einst ausgedacht hatte für die Figur. Ein unsterbliches Wesen, seit seinem Tod in „Winnetou III“.
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Pierre Brice ist tot
Pierre Brice ist tot. Der französische Schauspieler und „Winnetou“-Darsteller ist am Samstag in einem französischen Krankenhaus gestorben. Pierre Brice wurde 86 Jahre alt.
Berühmt wurde Brice in Deutschland vor allem als „Winnetou“. In den sechziger Jahren spielte er ihn insgesamt elf Mal. Seinen ersten Auftritt hatte der in Brest geborene Schauspieler 1962 im „Schatz im Silbersee“. Zehn Millionen Menschen sahen den Film allein in Deutschland. Sein Filmtod löste 1965 eine Protestwelle aus, daraufhin durfte der Indianer für kurze Zeit wieder auferstehen. Die Filmreihe endete 1968. In seiner Heimat Frankreich war Brice kaum bekannt. Die Verbindung zu Deutschland war eng, nicht nur wegen seiner vielen Fans, seine Frau Hella stammt aus Bayern.
Er habe eigentlich keine Lust gehabt, einen Indianer zu spielen, hat Brice einmal erzählt, die Figur dann aber mit eigenen Ideen ausgestattet wie dem Blick in die Ferne oder der ausladenden Armbewegung zur Begrüßung.
Nach der „Winnetou“-Reihe übernahm Brice größere Rollen in italienischen und französischen Spiel- und Fernsehfilmen. Mit dem Ende seiner Filmkarriere kehrte Brice Mitte der siebziger Jahre zur Winnetou-Rolle zurück, sowohl im Fernsehen als auch auf der Bühne. Der WDR sendete 1980 die 14-teilige Serie „Mein Freund Winnetou“, bei der die Indianer und ihre Lebensbedingungen in den Mittelpunkt gerückt werden sollten. Ab 1996 drehte das ZDF in Spanien zwei neue Winnetou-Filme mit dem Titel „Winnetous Rückkehr“. Brice schrieb Teile des Drehbuchs.
Als Winnetou-Darsteller wirkte Brice auch viele Jahre bei den Karl-May-Festspielen in Elspe/Sauerland und Bad Segeberg mit.
Pierre Brice, der eigentlich Pierre Louis Baron de Bris hieß, fühlte sich auch privat den Werten seiner Filmfigur verpflichtet. Das sei der Grund dafür gewesen, dass er fast vierzig Jahre lang die berühmte Indianerfigur gespielt habe, sagte er einmal. Nach einer verlorenen Wette in der ZDF-Show „Wetten dass ...?“ organisierte Brice 1995 etwa eine Spendensammlung für die Menschen im vom Bürgerkrieg verheerten Bosnien-Herzegowina.
Ein „bisschen naiv“ seien die „Winnetou“-Filme ja schon gewesen, sagte Brice einmal an anderer Stelle. Aber die Deutschen hätten sich nach dem Krieg nach Werten wie Frieden, Freiheit und Menschenwürde gesehnt.
Bei der Parodie „Der Schuh des Manitu“ von Michael „Bully“ Herbig verstand Brice keinen Spaß: Das sei „Schwachsinn“, beschied er knapp. (FAZ.NET)