Zeitschriftenmarkt : Hier wird um jeden Regalmeter gekämpft
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Der Vertriebsweg ist hart umkämpft: Bauer hat sich mit seinem Sonderweg viele Feinde in der Branche gemacht Bild: Helmut Fricke
Der Hamburger Verleger Heinz Bauer übergibt das Szepter an seine Tochter Yvonne. Fleißig kämpft diese um die Vormacht im Zeitschriftenhandel. Der Verlag setzt Mittel ein, über die die Branche den Kopf schüttelt.
Yvonne Bauer ist endgültig zur Chefin des Hamburger Bauer-Verlags aufgestiegen. Die Tochter des 71 Jahre alten Heinz Bauer kommt zu besten Geschäftszeiten ans Ruder, aber auch mitten im Getümmel. Einen Umsatz von 2,1 Milliarden Euro hat Bauer 2009 gemacht, mit dem Kampf gegen das Pressevertriebssystem spaltet der Verlag jedoch gerade die ganze Branche. Yvonne Bauer wird die Auseinandersetzung nun als Verlegerin an vorderster Stelle fortführen, ihr gehören 85 Prozent der Kommanditanteile des Familienunternehmens. Das teilte Bauer am Donnerstag auf der Jahrespressekonferenz mit. Die Töchter Mirja, Nicola und Saskia sind mit je fünf Prozent als Kommanditisten am Unternehmen beteiligt. Vater Bauer bleibt persönlich haftender Gesellschafter.
Erst kürzlich hat der Verlag abermals das bestehende Presse-Grosso-System angegriffen. Dieses regelt, dass die Grossisten als unabhängige Dienstleister der Verlage Zeitungen und Zeitschriften an den Kiosk liefern - jede Publikation soll im Einzelhandel erscheinen. Die jüngste Offensive gegen dieses System präsentiert Bauer in der Form eines „Pümpels“: Dieses Werkmittel zeigt Bauer auf einer Internetseite. Die „Regalverstopfung“, die Bauer im Lebensmittelhandel erkannt haben will, soll beseitigt werden. Bauer, der reichlich Billigblätter herausbringt, fordert damit abermals, dass im Zeitschriftenregal die umsatzstärksten Titel prominent plaziert werden. Der Verlag legt dem Einzelhandel einen langen Fragebogen vor und erkundigt sich ganz unhanseatisch: „Können die Penner aus dem Pressesortiment eliminiert werden?“
Die Neutralität des Pressevertriebssystems ist bedroht
Bauer gibt dies als Hilfe für den Einzelhandel aus, verfolgt jedoch Eigeninteressen. Der Verlag umgeht die Grossisten, die jede Zeitschrift an den Kiosk bringen müssen und sich neutral zu verhalten haben, und versucht, seine Blätter in den Vordergrund zu rücken: Mehr Menschen sollen Produkte des Verlags kaufen, so dass dessen Vertriebserlöse im Einzelhandel steigen, von denen Bauer mit seinen mehr als fünfzig Zeitschriften in Deutschland besonders abhängig ist. Käme es zu einer solchen Bevorzugung, wäre die Neutralität des Pressevertriebssystems dahin, und das Grosso stände zur Disposition. Manche Beobachter meinen, dass Bauer genau das erreichen will und die Grossisten nur noch als reine Logistiker wünscht, um selbst Druck auf den Einzelhandel ausüben zu können.
Die Lage in der Branche ist derart angespannt, dass sich andere Verlage genötigt sehen, gemeinsam zurückzufeuern. Der Verband deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) verurteilte die PR-Initiative des Bauer-Verlags im Namen seiner Mitglieder. Hauptkritiker der Pläne war Torsten Brandt, der Sprecher des Arbeitskreises Pressevertrieb im Verband ist und als Springer-Vertriebschef die Nummer eins im Markt vertritt. Es müsse dabei bleiben, dass der Presse-Grossist vor Ort täglich für ein leserfreundliches und je nach Geschäftsart adäquates Sortiment sorge. „Der freie Marktzugang für alle Presseerzeugnisse, die Neutralität gegenüber dem Einzelhandel und das damit einhergehende abgeleitete Dispositionsrecht des Presse-Grossisten“ blieben „unverrückbare Eckpfeiler eines funktionierenden Pressevertriebs“. Eine solche Breitseite gegen Bauer ist neu. Bislang versuchte der Verband sein widerspenstiges Mitglied immer wieder einzubinden. Doch jetzt haben auch der Arbeitskreis Mittelständischer Verlage und der Bundesverband Presse-Grosso die Bauer-Aktion kritisiert.