Ackermann-Doku „Zeit der Gier“ : „So ein Jeanstyp wie Sie“
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Einer mit „Ecken und Kanten“: Josef Ackermann Bild: ZDFinfo
Vermächtnis der schönen Stimme: Die Doku „Zeit der Gier - Josef Ackermann und die Deutsche Bank“ zeigt einen erschreckend selbstzufriedenen früheren Bankmanager.
Vier Stunden saß Josef Ackermann, ehemaliger Vorstandssprecher der Deutschen Bank, ehemaliger Verwaltungsratspräsident der Zurich Versicherung, ehemaliger Vorsitzender des Institute of International Finance, dem Dokumentarfilmer Egmont R. Koch im vergangenen Oktober zum Interview gegenüber. Er sprach zu ihm über sein Leben, seine Karriere, seine ambitionierten ehemaligen Pläne, über Fehler und menschliche Enttäuschungen.
Über möglicherweise eigenes Führungsversagen, persönliche Verantwortung oder gar schuldhaftes Verhalten, das zu Verwerfungen, Verurteilungen und Milliardenstrafen führte, sprach er nicht. Logisch. Wer öffentliche Selbstkasteiung erwartet, hat weder die Funktion solcher Filme für die Porträtierten noch die Mentalität (und juristische Beratung) von Topmanagern verstanden. Vor allem seit Rolf Breuers erstaunlichem, folgenschweren Interview zur Situation der Kirch-Gruppe am Rande des Weltwirtschaftsforums in New York 2002 ist im Banken- und Finanzbereich eigentlich Schmallippigkeit Trumpf.
Allerdings ist Ackermann – im Gegensatz zu Breuer damals – kein Akteur der Deutschen Bank mehr. Etwas Selbstkritik könnte er sich leisten, und sie stünde ihm gut zu Gesicht. Ein solches Vorgehen hätte auch die harschen Einschätzungen nachfolgender Vorstandsmitglieder wie etwa die von Christian Sewing (nun Vorstandssprecher) besser eingebettet.
Man lässt kritisieren
Aber erklären muss man sich die Figur und Rolle Ackermanns in diesem Film weitgehend selbst. Das ist einerseits ein Verdienst des Chronisten Egmont R. Koch, der mit Stephan Lamby für „Bimbes – Die schwarzen Kassen des Helmut Kohl“ mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde. Andererseits sieht es wie ein Versuch aus, eindeutige Positionierungen tunlichst zu vermeiden. Man lässt kritisieren und erhält sich selbst sein gutes Verhältnis zur zentralen Figur des Films.
So wirkt es, wenn Ackermann den Interviewenden verbal umarmt („bin ja eigentlich so ein Jeanstyp wie Sie“) und gleichsam altersmilde das Interview seine „Beichte“ nennt. Von der „Gier“ der Investmentbanker spricht er noch heute in überraschter Weise, wie ein enttäuschter Vater, dessen Söhne auf Abwege geraten sind. Abwege, die in Wirklichkeit zur Voraussetzung der Kultur des „make money, make more money“ gehörten. Hier hakt der Filmautor Koch nicht nach. Aber wusste schon jemand, dass Pavarotti einst Ackermanns im Gesangsunterricht ausgebildete Stimme mit dem Kommentar „que bella voce“ geadelt haben soll?
In „Zeit der Gier“ erschließt sich auf diese Weise immerhin das Bild von „Seppi“ aus der Schweiz, einem Überflieger, der das Kreditinstitut zum Global Player des Finanzbusiness machen wollte und dazu Anshu Jain an Bord holte, mit fatalen Folgen. „Unter Führung von Herrn Ackermann hat sich die ehemals seriöse Deutsche Bank in eine kriminogene Zockerbude verwandelt“, sagt Wolfgang Hetzer, ehemals Abteilungsleiter im Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF). „Er hat die Bank bis unters Dach mit Risiken hinterlassen“, sagt der Ackermann-Biograph Erik Nolmans („Josef Ackermann und die Deutsche Bank: Anatomie eines Aufstiegs“). Die Bank sei zu Ackermanns Zeit „in praktisch jede Schweinerei im Bankenwesen weltweit verwickelt“ gewesen, meint die frühere SPD-Politikerin und Vorstandsvorsitzende der KfW-Bankengruppe, Ingrid Matthäus-Mayer. „Die Kultur, die Ackermann erfand und dann eine lange Zeit prägte, musste von Anfang an in eine Katastrophe münden“, ergänzt David Enrich von der „New York Times“, Autor des Buches „Dark Towers“.
Zusätzlich nimmt der Film Ackermanns Zeit bei der Zurich Versicherung, die früheren Russlandgeschäfte der Deutschen Bank, sein persönliches Verhältnis zu Wladimir Putin und den Suizid des Zurich-Finanzvorstands Pierre Wauthier 2013 in den Blick. Finanz- und Weltwirtschaftskrise, Griechenland und Bankenrettungen, die Verbindung zu Angela Merkel, immer weiter wird das Feld.
Anderes dagegen wird weggelassen, etwa das Verhältnis zu Mitvorstand Clemens Börsig und die konkreten Ereignisse bei der Nachfolgeregelung in der Deutschen Bank. Wer hierzu etwas erfahren will, ist paradoxerweise mit der von renommierten Historikern und Wirtschaftswissenschaftlern verfassten Hauspublikation zum 150-jährigen Bestehen der Deutschen Bank („Die globale Hausbank 1870 –2020“, Propyläen Verlag) wesentlich besser bedient: Hier beleuchtet die in Oxford lehrende Catherine R. Schenk die Zeit Ackermanns kritisch bis ins Detail. Interessierten sei außerdem die Doku „Tod eines Managers – Der Fall Wauthier“ von Tina Soliman und Torsten Lapp und Marc Bauders Investmentbanker-Porträt „Master of the Universe“ empfohlen. Ergänzt wurde der Film ganz aktuell mit einem Statement Ackermanns, in dem er den Angriffskrieg Putins auf die Ukraine verurteilt und Schweizer Sanktionen ausdrücklich begrüßt. Es geht hier ums Vermächtnis, um Selbstdarstellung und Selbsterklärung.
Das Ergebnis ist auch eine Lektion in der Kunst, immer andere für Versäumnisse und Fehlentscheidungen verantwortlich zu machen. Zweimal nur zeigt Ackermann so etwas wie Nerven: Zu Ingrid Matthäus-Mayer fällt ihm bloß Despektierliches ein. Und zu Fabienne, der Witwe von Pierre Wauthier, der ihn in seinem Abschiedsbrief persönlich verantwortlich machte („Joe Ackermann is so far the worst Chairman I ever met“), sagt der ehemalige Vorstandssprecher im Rückblick: „Die Dame“ sei „aggressiv“ gewesen, deswegen habe er sich das Kondolieren gespart.
Selbstverständlich findet sich auch zum „Victory“-Zeichen beim „Mannesmann“-Prozess eine positive Deutung. Er sei nun einmal spontan, erklärt Ackermann, habe „Ecken und Kanten“. Selten sahen solche Ecken und Kanten so glatt und selbstzufrieden aus.
Zeit der Gier – Josef Ackermann und die Deutsche Bank, um 20.15 Uhr bei ZDFinfo.