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ZDF-Krimi „Unbestechlich“ : Ist das ein Film, oder kann das weg?

  • -Aktualisiert am

Weisen sich aus: Samia Chancrin und Michael Klammer spielen die internen Ermittler in „Unbestechlich“. Bild: ZDF/Frank Dicks

Der ZDF-Krimi „Unbestechlich“ zeigt, wie man ein Drehbuch redaktionell zerstört und im Zeitgeist lau badet. Daraus sollte auf gar keinen Fall eine Serie werden.

          3 Min.

          Platz ist offenbar reichlich im LKA Düsseldorf, Ambiente dagegen Mangelware. Für das neue Ermittlerduo, das sich im abgelegensten, staubigsten Eck des Präsidiums in einem Büro für vier einrichten soll, heißt es: Ihr seid unerwünscht. Denkt nicht, dass ihr ein Team werdet. Ein Provisorium reicht, auch wenn ihr irgendwo Freunde habt. In der Polizeikantine geht es in die Wiederholungsschleife: Denkt nicht, dass jemand mit euch am Tisch sitzen wird. Ihr Nestbeschmutzer. Bei uns gilt Corpsgeist.

          Ausgrenzung sind diese beiden Augias­stallausmister allerdings gewohnt. Der Chef der neuen Zweiertruppe Interne Ermittlung NRW, Joseph Kanjaa (Michael Klammer), ist schwarz, brillant und ein „finanziell unabhängiger“ Idealist, alles üblicherweise Karrierehindernisse. Ethische Grautöne sind diesem Prinzipienreiter fremd. Moral muss man sich leisten können, Kanjaa tut es. Außerdem ist er ein Verfechter von Wohlfühlarbeitsatmosphäre. Weswegen er auf eigene Kosten erst einmal einen Innendekorateursfreund engagiert – schließlich hätten Schwule alle Geschmack, sagt er. Soll das witzig sein?

          Ob aus dem Fernsehfilm „Unbestechlich“ eine ZDF-Serie wird, soll sich noch entscheiden. Dann brauchte man auf alle Fälle bessere Dialoge, interessantere Verrats- und Moralfragen, überhaupt weniger Eindimensionalität. Als Autoren annonciert waren ursprünglich die Krimi-Routiniers Holger Karsten Schmidt und Niels Holle („Harter Brocken“, „Nord bei Nordwest“). Nun stehen Pseudonyme in den Credits. Was nicht zuletzt damit zusammenhängen mag, dass neben der für Schmidt unüblich schlicht gestrickten Handlung der homöopathisch eingesetzte Humor verrutscht ist und die Handlung durch die Diversitätsmühle der redaktionellen Anforderungen an „modernes Erzählen“ gedreht wurde, um die eigentlich interessante Vorlage rassismuskritisch-emanzipatorisch-schlicht aufzublasen und nach Entweichen der heißen Luft als Krimi-Bettvorleger enden zu lassen.

          Während Kanjaa mit Ford Mustang, Feinschmeckermeetings im Lokal und edlem Zwirn also den James Bond vom Niederrhein gibt – Treffen mit der geheimnisvollen Ermittler-Strippenzieherin finden auf der Pferderennbahn statt –, sorgt die zugeteilte Mitarbeiterin Clarissa Jacobs (Samia Chancrin) für die hemdsärmelige Note. Ihre Erfahrung mit Ungerechtigkeit und Bestechlichkeit ist auch persönlich. Einen Kriegsverbrecher hat sie zwar überführt, steht statt seiner aber nun selbst im Fokus von Ermittlungen. Zugewandte Personalführung und Mitarbeiter-Empowerment sind für sie genauso neu wie Fine Dining.

          Klischeebehafteter Krimi mit eindimensionalen Figuren

          Der Fall: Im Betäubungsmitteldezernat verschwinden seit Längerem Geld und Rauschmittel bei Razzien. Kanjaas Gegenspieler, der autoritäre Chef Stefan Krohn (Alex Brendemühl), verführt seine Einsatzkräfte zum Abgreifen. Bei Simone (Maja Schöne) ist der Fall klar. Sie braucht Geld für den behindertengerechten Umbau des Hauses, seit ihr Mann im Dienst niedergeschossen wurde. Der unsympathische Kollege (Christian Hockenbrink) liebt schnelle Autos und La Dolce Vita, übrigens genau wie Kanjaa, der freilich mit dem goldenen Löffel im Mund ausgestattet wurde. Nur der Jüngste im Team, Timo Viatov (Anton Rubtsov), macht nicht mit. Auch er ist ein Diskriminierter – ein Russe, den die anderen verächtlich Sputnik nennen.

          Schlicht, schwarz-weiß und vorwiegend bierernst ist in „Unbestechlich“ nicht nur die Handlung. Christiane Balthasar (Regie) und Felix Poplawsky (Kamera) verpassen dem Film einen gewollt düsteren Look, der die Chose wohl aufwerten soll, aber eher nach Vorabendserie-meets-Filter aussieht. Nachdem in einem Showdown, in dem der Ford Mustang mächtig aufdrehen darf, ohne übermäßige Pulserhöhung einiges an Blut geflossen ist, wird die ZDF-Respektlosigkeitspolizei noch einmal fündig. Nicht alle Homosexuellen haben Stil, das müssen Jacobs und Kanjaa noch mal ausdiskutieren. Das neue Büroambiente findet sie geschmacklos.

          Damit aus „Unbestechlich“ noch etwas weniger Langweiliges wird, braucht es freilich mehr als ein Interieurdesign-Update. Vor allem braucht es bessere, von der Redaktion nicht verhunzte Drehbücher mit echt wirkenden Figuren und Konflikten. Ein Vergleich mit der oft brillanten früheren ZDF-Serie „Unter Verdacht“ (mit Senta Berger als interner Ermittlerin Dr. Eva Prohacek, bis 2019) verbietet sich.

          Unbestechlich läuft heute um 20.15 Uhr im ZDF und ist in der ZDF-Mediathek abrufbar.

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