WM im Fernsehen : Arroganz aktuell
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Darauf einen Selfie: Im WM-Club mit Alexander Bommes geht der Fußball baden Bild: SWR/WDR
Früher war doch alles schon genau so schlecht! Wie ARD und ZDF uns während der WM für dumm verkaufen und sich auch noch darüber lustig machen.
Der „Spiegel“ hat, in ungewohnter Schärfe, mit den Unverschämtheiten der deutschen Fußballkommentatoren abgerechnet. „Je weniger sie davon haben, desto beflissener tragen sie zur Schau, was sie für Weltoffenheit und Vorurteilsfreiheit halten“, schrieb das Magazin, machte sich darüber lustig, „wie akkurat sie den Namen der Stadt Gijón auszusprechen gelernt haben“, was es am Ende doch als Zeichen dafür deutete, dass sie „einfach nur nicht verstehen, was Länder, in denen das Jägerschnitzel fremd ist, bei einer Fußball-WM zu suchen haben“.
1982 war das. Dass es sich wie eine Beschreibung der aktuellen Situation liest, liegt leider nicht nur daran, dass man in der Woche vor dem letzten Gruppenspiel mit Erinnerungen an das Skandalspiel von Gijón vollkommentiert wurde, bis man selbst nicht mehr Amerikaner von Österreichern unterscheiden konnte - oder seitdem mit den immer gleichen Warnungen davor, den Achtelfinalgegner Algerien zu unterschätzen. Dass man nicht merkt, dass der Text des großen Polemikers Christian Schultz-Gerstein schon über dreißig Jahre alt ist, hat eher damit zu tun, dass man nie sicher ist, ob Rolf Kramer und Rudi Michel wirklich schon in Rente sind, wenn in diesen Tagen wieder von den listigen „Wüstenfüchsen“ die Rede ist oder von anderen Südländern, die „nicht alles perfekt organisiert“ kriegen. Oder eben von seltsamen Tieren namens „Albiceleste“ oder „Seleção“, welche man offensichtlich nur auf zwei verschiedene Arten aussprechen kann: entweder mit der Ignoranz eines Fanmeilenprolls (Albizeleste, Selesau) oder mit jener prätentiösen Überkorrektheit, die das exotische Wesen fremder Mannschaften erst recht unterstreicht.
Er hätte früher passen sollen
Aber es ist nicht einfach: Die Nörgelei am mangelnden Sachverstand der Kommentatoren ist leider auch schon mindestens dreißig Jahre alt. Nur dummerweise lässt sich das Leiden an den Kommentaren, an ihrer analytischen Dürftigkeit oder emotionalen Penetranz, nicht dadurch besser ertragen, dass die eigenen Schmerzensschreie so wenig originell sind. Keine Kritik ist auch keine Lösung. Es mag ja sein, dass einfach nichts richtig machen kann, wer den Geschmack eines maximal breiten Publikums befriedigen muss. Aber muss man deshalb tatsächlich auf ein stilistisches Sicherheitsspiel setzen, das auch die Zuschauer am liebsten nach der Taktik vorgehen ließe, die die deutsche Mannschaft, wie man in jedem Spiel hört, leider verlernt hat: bei Ballbesitz umzuschalten? Meistens geht es einem dann doch wie Mario Balotelli in der Analyse Béla Réthys: „Er hätte früher passen können, aber da war’s zu spät.“
Die Reporter selbst dagegen beherrschen mittlerweile eine beeindruckende Kontertaktik: Sie werden durch Kritik nur stärker. „Gebetsmühlenartig“ träten Beschwerden „alle zwei bis vier Jahre“ auf, sagte ein ZDF-Sprecher beschwichtigend zu „Focus Online“. Und weil Kritik heute so schnell als Shitstorm auftritt, lässt sie sich noch leichter ignorieren. „Wenn man die Qualität dieser Kritiken liest“, sagte Réthy schon vor der WM in der „Welt“, „muss man froh sein, dass man den Menschen nicht gefällt, sonst hätte man einen Riesenfehler gemacht.“
Wie unantastbar sich die übertragenden Sender fühlen, konnte man ganz gut im ARD-„WM-Club“ sehen, wo sich, wenn alle anderen damit fertig sind, Alexander Bommes noch einmal noch etwas unterirdischer über Fußball unterhält, mit Menschen wie Jan Delay oder Rolf Eden, oder wer sonst gerade nichts anderes vorhat. Es gab auch einen Beitrag, der es schaffte, sich gleichzeitig über die eigene Berichterstattung über Nebensächlichkeiten und über die Kritik daran lustig zu machen. Entkräftet wurde diese Kritik dann durch historische Aufnahmen von Addi Furler, der schon 1970 den Speiseplan der Nationalmannschaft im Fernsehen vorlas.
Das also ist die Antwort der ARD auf Kritik: Früher war alles genauso schlecht. Es ist nicht immer leicht, sich diese Zeiten nicht zurückzuwünschen.