Was geschieht, wenn wir Putin nur zusehen
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Putin lässt die Panzer rollen: Aufnahme am Bahnhof von Rostow am 23. Februar. Bild: EPA
Wladimir Putin überfällt die Ukraine. Der Westen setzt auf Sanktionen. Gewaltherrscher hält das nicht auf. Der Jugoslawienkrieg hat gelehrt, wohin bloßes Zuschauen führt. Ein Gastbeitrag.
Im Juli 1995 forderte ein leicht bewaffnetes niederländisches Bataillon der Schutztruppe der Vereinten Nationen in Bosnien und Hercegovina NATO-Luftunterstützung an, als die bosnisch-serbische Armee den zivilen „sicheren Hafen“ Srebrenica angriff. Diese Luftunterstützung wurde eingestellt, als die bosnischen Serben den Vereinten Nationen mit einer Eskalation drohten. Infolgedessen wurde der „sichere Hafen“ überrannt, innerhalb von zwei Wochen wurden 8000 muslimische Männer und Jungen getötet. Unzählige Frauen und Mädchen waren Gruppenvergewaltigungen ausgesetzt. Bis heute werden Angehörige des niederländischen Bataillons von Erinnerungen an jene Grausamkeiten, die sie aufgrund ihrer Hilflosigkeit miterlebten, heimgesucht.
Wir sollten uns an die Schrecken des Jugoslawienkriegs erinnern, wenn wir uns – am Tag nach Wladimir Putins Entscheidung, in die Ukraine einzurücken – fragen, was uns nun erwartet. Wie jene serbischen Nationalisten, die sich auf eine selektive Lektüre der Geschichte stützten, um ihren Traum von Großserbien zu legitimieren, hat Putin disparate Elemente aus Jahrhunderten der Geschichte miteinander verwoben, um die Vorstellung einer ewigen Einheit des russischen und des ukrainischen Volkes zu bekräftigen. Zudem verbreiten Putin und seine Handlanger den Mythos eines andauernden Völkermords an der russischen Bevölkerung in den ukrainischen Provinzen Luhansk und Donezk – die in Wirklichkeit seit Jahren unter russischer Kontrolle stehen. Damit facht er die Einsatzbereitschaft der russischen Soldaten an, die die Invasion der Ukraine durchführen müssten.
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