Neues Internetgesetz der EU : Wer wird unser Digital-Koordinator?
- -Aktualisiert am
Am Anfang: Ein Aktivistin demonstriert im Dezember 2020 in Brüssel für das neue Digitalgesetz und zitiert den Facebook-Chef Mark Zuckerberg. Bild: AFP
Das neue Digitalgesetz der EU erfordert, dass jedes Land einen Digitalkoordinator zur Kontrolle der Plattformen benennt. Wer soll das sein? Wir haben einen Vorschlag. Ein Gastbeitrag.
Aufrufe zum Mord, Hassrede, extremistische Inhalte, Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder, Angebote von gefährlichen Produkten auf Internetplattformen zeigen, dass die rechtlichen Regeln einer zivilisierten Gesellschaft auch in der digitalen Welt durchgesetzt werden müssen. Wie aber soll gegen rechtswidrige Inhalte auf digitalen Plattformen wirksam vorgegangen werden? Diese Frage beschäftigt die Politik seit Langem. Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz hat der Bund 2017 eine umstrittene und, wie sich gezeigt hat, nachbesserungsbedürftige Teil-Antwort vorgelegt. Ob die Balance zwischen Rechtsgüterschutz und Meinungsfreiheit richtig austariert wurde, wollen wir an dieser Stelle nicht behandeln.
Das Regelwerk ist komplex
Nun hat die Europäische Union die Sache an sich gezogen und ein komplexes Regelwerk vorgelegt, das noch in diesem Jahr endgültig beschlossen werden soll: den Digital Services Act (DSA), der vom Regelungsbereich her deutlich über das Netzwerkdurchsetzungsgesetz hinausgeht und die künftigen Grundregeln für die Regulierung digitaler Dienste festschreibt. Manche sprechen gar von einem „Grundgesetz fürs Internet“. Der DSA gilt als Verordnung unmittelbar in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und macht ihnen auch Vorgaben für die Gestaltung von Verwaltungsorganisation und -verfahren der Aufsicht. Insbesondere müssen die Mitgliedstaaten einen Digital Services Coordinator (DSC) benennen, der die Koordinierung der Aufsicht auf nationaler Ebene sicherstellen und zu einer wirksamen und einheitlichen Anwendung und Durchsetzung des Gesetzes in der gesamten Union beitragen soll (Artikel 38 und 39 des Entwurfs).
Dementsprechend hat hierzulande eine Diskussion darüber begonnen, welche Behörde als DSC benannt werden soll, welche Kompetenzen sie haben und wie sie organisiert sein sollte. Die Lösung dieser Aufgabe ist in Deutschland besonders delikat: Denn die Kompetenzen der Regulierung digitaler Dienste sind auf verschiedene Behörden auf Bundes- und Länderebene verteilt. So hat das Bundesamt für Justiz Kompetenzen bei der Ausführung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes; der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit überwacht bei öffentlichen Stellen des Bundes und Telekommunikationsunternehmen die Einhaltung des Datenschutzes; die Bundesnetzagentur nimmt Aufgaben des Verbraucherschutzes im digitalen Bereich wahr; und die Landesmedienanstalten beaufsichtigen private Telemedien. Die diskutierten Varianten reichen von der Benennung eines der genannten Akteure bis zur Schaffung einer neuen (Bundes-)Behörde und deren Benennung als DSC. Allerdings erscheinen die Vorstellungen zu Ausgestaltung und Kompetenzen ziemlich vage.