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Wie funktioniert „heftig“? : Das Nichts hat jetzt einen Namen

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Michael Glöß (links) und Peter Schilling, Geschäftsführer des Potsdamer Unternehmens DS Ventures, das die Internetseite Heftig.co betreibt. Bild: DS Ventures

Mit geschicktem Marketing bitten die Betreiber der Webseite „heftig.co“ die ganze Online-Welt zum Eiertanz. Nach dem Outing der Macher haben wir mit einem Konkurrenten über das Erfolgsrezept gesprochen.

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          Einen Moment lang sah es so aus, als sei das Geheimnis gelüftet: Am Dienstag wurde bekannt, wer angeblich hinter der zuletzt so extrem erfolgreichen Plattform „heftig.co“ steckt. Michael Glöß und Peter Schilling heißen die Macher, so hat es die „Wirtschaftswoche“ verkündet, ganz exklusiv, vor Montag kommt sonst niemand an die beiden Herren ran. Wir wissen im Grunde genommen genauso viel wie vor der Bekanntgabe der Namen: So gut wie nichts, nur hat dieses Nichts jetzt zwei Gesichter und zwei Namen.

          Um mehr in Erfahrung zu bringen, muss man Umwege gehen – einer führt in die Schweiz. Dort betreibt Bernhard Brechbühl seit Oktober 2013 „storyfilter.com“. Die Seite sieht aus wie eine etwas schickere Version von „heftig.co“. Brechbühl hat das Portal nach dem Vorbild amerikanischer Seiten gebaut. „Zwei Dinge sind im viralen Bereich sehr wichtig“, sagt er, „die Schlagzeile muss Lust machen, den Beitrag zu klicken und die Story muss angenehm konsumier- und teilbar sein.“ So kommen Seiten mit sehr wenigen direkten Besuchern auf extrem hohe Klickzahlen. „Social is our Frontpage“, sagt man bei der „Huffington Post“. Die sozialen Netzwerke als Startseite – virale Medien treiben das auf die Spitze.

          Nach dem Traffic kommt das Geld. Brechbühl will seine Seite bald „monetarisieren“, etwa mit Bannerwerbung oder „Native Advertising“, wo von Werbekunden produzierte Beiträge zwar als solche gekennzeichnet, aber genauso aufgemacht werden wie die eigenen Inhalte. Das ist auch bei „heftig.co“ denkbar. Und noch etwas: „Die heftig-Community ist mittlerweile so groß, dass sie einen unschätzbaren Wert hat“, so Brechbühl. „Ich könnte mir gut vorstellen, dass ein ganz großes Medienhaus diese Community aufkauft.“

          „Das tut uns leid! Diese Seite gibt es leider nicht mehr :(“

          Auch wenn es einige Gemeinsamkeiten zwischen „storyfilter“ und „heftig“ gibt, gefällt es Bernhard Brechbühl nur bedingt, dass „die beiden Projekte häufiger über denselben Kamm geschoren werden“. Im Viral-Bereich gebe es verschiedene Genres, so wie bei anderen Medienformen auch: „Sie machen etwas anderes als die ,Bild‘, und ich mache etwas anderes als ,heftig‘.“ Tatsächlich sind seine Inhalte aktuell und nicht nach Jahren wieder aus dem Netz gegraben worden, er hat einen Vertrag mit einer Bildagentur, bewegt sich beim Einbetten im Bereich der Creative Commons.

          Bei „heftig“ scheint sich derweil ein Wandel bei der Sammlung der Inhalte vollzogen zu haben. Das mag daran liegen, dass viele Medien darauf hinwiesen, dass die Geschichten, obwohl es sich oft um wörtliche Übersetzungen identischer Beiträge englischer Portale wie „Viral Nova“ oder „Bored Panda“ handelte, keine Quellenverweis hatten. Oder aber daran, dass jetzt statt einer Briefkastenfirma in Belize die Namen der Verantwortlichen genannt werden.

          Der Aktualisierung des Impressums ist eine grundlegende Änderung der Webseite vorausgegangen. Still und heimlich wurden so gut wie alle Inhalte, die vor Mitte Mai erschienen waren, entfernt. Auf der Facebookseite werden noch mehr als dreißig Beiträge mit Lockrufen wie „Vom Anfang bis zum Ende, das wird dich berühren“ oder „Wie schlimm es dich im Leben auch trifft ... gib niemals auf“ beworben. Klickt man auf die Links, kommt man jedoch auf Seiten, die der Satz ziert: „Das tut uns leid! Diese Seite gibt es leider nicht mehr :(“ Wie schade. Und wie gut für die neuen Posterboys von „heftig.co“, denn die inzwischen entfernten Inhalte hätten sie in rechtliche Schwierigkeiten bringen können.

          Der Deckmantel des Schweigens

          Der Inhalt diente als Durchlauferhitzer: Dass er in Teilen veraltet war, störte nicht, im Gegenteil: Viele der anrührenden Videos hatten schon mehr als einmal bewiesen, dass sie einen viralen Like-, Tweet- und Teilsturm im Netz auslösen können. Selbst die Schlagzeilen wurden eins zu eins aus dem Englischen übersetzt.

          Was jetzt auf der Seite steht, ist mit Quellenangaben versehen, teilweise wurden die Geschichten „heftig“ zugetragen, teilweise fragten die Macher – bis gestern noch mit einer anonymen Gmail-Adresse – ganz zuvorkommend nach, ob sie das denn verwenden dürften. „Ich war ein bisschen überrascht, weil ich ja wusste, dass ,heftig‘ nicht den besten Ruf hat“, sagt Adam Fletcher, dessen Beitrag „Ein Engländer erklärt, wie man Deutscher wird“ auf „heftig“ veröffentlicht wurde. „Ich wurde per Mail von einem Sven Heftig kontaktiert, und er war extrem höflich und hat um Erlaubnis gebeten, den Text auf der Seite posten zu dürfen.“ Fletcher stimmte zu, der Text erschien, inklusive Links zu Fletchers eigener Seite und einem Online-Shop, in dem sein Buch „How to be German in 50 easy steps“ erhältlich ist. Das Buch, vorher auf Platz 1250 bei Amazon, lag zwischenzeitlich in den Top 10 der meistverkauften Bücher. „Der Effekt ist riesig“, sagt Fletcher. Unter solchen Vorzeichen stellen andere natürlich gerne Inhalte für „heftig.co“ zur Verfügung. Diese Voraussetzungen konnten aber nur geschaffen werden, indem zuvor Inhalte mit Erfolgsgarantie, anderswo schon erprobt, auf der Seite standen, ohne Quellenvermerk, als habe man sie selbst erschaffen.

          Die Macher haben sich geoutet, die Fragen bleiben: Screenshot der Seite heftig.co
          Die Macher haben sich geoutet, die Fragen bleiben: Screenshot der Seite heftig.co : Bild: heftig.co

          Der Wechsel, der sich auf inhaltlicher Ebene während des vergangenen Wochenendes vollzog, ist nur ein Schritt im Geschäftsmodell, soweit man dieses von außen erkennen kann. Die Bekanntgabe der Namen dürfte ein weiterer sein. Im Grunde hat sich dadurch ja nicht viel geändert. Die Fragen, die „heftig.co“ aufwirft, bleiben: Welches Ziel verfolgen die Macher? Wollen sie mit der Seite direkt Geld verdienen oder verfolgen sie eine Exit-Strategie, bei der ein Medienhaus oder ein anderer Investor das Gesamtpaket mit seiner großen Reichweite für viel Geld aufkauft? Wann ist der Siedepunkt erreicht? Wie kam es überhaupt zum dem Erfolg, wurde er organisch geschaffen oder wurde mit einer Marketing-Kampagne, etwa durch Facebook-Anzeigen, nachgeholfen? Was war der Sinn der Briefkastenfirma in Belize?

          Über alledem liegt nach wie vor der Deckmantel des Schweigens. Die Bekanntgabe der Namen, das vermeintliche Lüften des Geheimnisses, ohne wirklich irgendetwas zu verraten, passt zu „heftig.co“: Die Überschrift verspricht alles Mögliche, weckt Neugier, man klickt drauf, erfährt am Ende doch nicht allzu viel. Aber dann hat man eben schon geklickt. Vor dem nächsten Montag wollen die angeblichen „heftig“-Macher nicht weiter mit Journalisten reden. Sie haben ja schließlich eine Exklusivvereinbarung mit der „Wirtschaftswoche“, wie sie per E-Mail wissen lassen.

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