So kreiert man Videospielhypes : Den Cyberpunkt setzen
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2077 und doch so Achtziger: Keanu Reeves leit dem Rockstar Johnny Silverhand sein Gesicht. Bild: CD Projekt Red
Das Videospiel „Cyberpunk 2077“ ist da. Das Entwicklerstudio hatte einen gewaltigen Hype inszeniert. Acht Jahre lang wurde er genährt. Fabian Döhla, der das Marketing betreut, erklärt, wie es geht und was schieflaufen kann.
Ein Hype ist etwas, das die Gemüter erhitzt. Er macht euphorisch. Er macht aggressiv. Ein Hype ist, wenn vermeintlich erwachsene Menschen sich in etwas hineinsteigern, von dessen Substanz sie noch gar nichts wissen können. Ein Hype ist auch: Die Reaktion eines geschickt manipulierten Publikums, dem man ein spektakuläres Wesen verspricht, von dem man stets nur Fragmente enthüllt, die jedoch gierig besprochen werden, obwohl ihr Nachrichtenwert gegen Null geht. Ein Hype, das sind die berühmten sechs Blinden, die einen Elefanten beschreiben sollen – nur dass ihnen zuvor eine Marketingmaschinerie eingeflüstert hat, dass es sich um das majestätischste Tier auf Gottes Erde handelt. Der Trick ist, sie glauben zu lassen, sie hätten das von sich aus erkannt. Interessant wird es, wenn der Elefant enthüllt wird. Dann stellt sich die Frage, ob die Blinden sehen lernen.
Man kann diese Art Elefant und die ihn begleitenden Hypes seit Jahren am Beispiel der Videospiel-Industrie beobachten. Dort wird ja auch Majestätisches hervorgebracht. Speziell an diesem Medium ist der Umstand, dass jeder Spieler ein anderes Videospiel wahrnimmt, selbst, wenn alle das gleiche spielen. Das gibt es auch beim Film. Doch dürfte die Schnittmenge des Wahrgenommenen dort um einiges größer sein. In einem Open-World-Videospiel wie dem nun erscheinenden „Cyberpunk 2077“ kann sich jeder auf seine Weise verlieren. Fabian Döhla, der das Marketing des Spiels im Auftrag der Entwicklerfirma CD Projekt Red betreut, sagt, selbst, wenn man das Spiel einmal durch habe, habe man vermutlich nur einen Bruchteil gesehen.
Und damit ist man mittendrin in der Riesenmaschine des Videospielmarketings, die vor allem deshalb so groß und kostenintensiv werden konnte, weil nicht nur die Branche explodiert ist, sondern die Games- und Popkultur-Community eine hochreaktive Sensibilität an den Tag legt, vor der auch Berichterstatter kapitulieren.
Meterweise hochemotionaler Text
Wer sich auf Twitter die im Milisekundentakt veröffentlichten Beiträge zum Hashtag #Cyberpunk2077 ansieht, sieht meterweise hochemotionalen Text an sich vorüberziehen: „Ich habe gerade festgestellt, dass ich mich so auf #Cyberpunk2077 freue, dass ich Weihnachten in diesem Monat ganz vergessen habe“ (@iGoBySave); „Nach acht Jahren des Wartens ist es da. Es hat begonnen“ (@TheCruelCritic); „Dieser freie Tag ist gebucht, um #Cyberpunk2077 zu spielen und zu streamen. Der Hype ist real“ (@SubjektJ117); „Diese Woche ist die längste meines Lebens“ (@LiterallyMatteo); „Veröffentlichungen wie #Cyberpunk2077 passieren nicht oft. Tut Euch einen Gefallen und blendet den toxischen Lärm aus.“ (@DirktheDaring); „Woohooooo“ (@ecostubo).
In Cyberpunk 2077 taucht der Spieler mit einem eigens kreierten Charakter beliebigen Geschlechts aus der Ich-Perspektive in eine Metropole namens „Night City“ ein. Als Vorlage diente die Welt des gleichnamigen Pen&Paper-Rollenspiels („Cyberpunk The Roleplaying Game of the Dark Future“) von „Maximum“ Mike Pondsmith, der den Videospielmachern beratend zur Seite stand. Für die Entwickler von CD Projekt Red, die zuvor durch ihre gefeierte Videospiel-Reihe „The Witcher“ (nach den Büchern der Geralt-Saga des polnischen Fantasy-Autors Andrzej Sapkowski) internationale Bekanntheit erlangt hatten, ist „Cyberpunk 2077“ ein Bruch mit dem bisherigen Oeuvre. Der Plan sei es gewesen, sagt Döhla, mit „The Witcher“ und „Cyberpunk 2077“ zwei eigenständige Marken zu entwickeln, in etwa wie es Rockstar-Games mit der „Grand Theft Auto“-Reihe und dem Wildwest-Wander-Simulator „Red Dead Redemption“ gelang.