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HBO stoppt Film : „Vom Winde verweht“ landet vorerst im Giftschrank

Clark Gable und Vivian Leigh als Rhett Butler und Scarlett O’Hara in „Vom Winde verweht“. Bild: ddp Images

Das Streamingportal HBO Max nimmt den Filmklassiker „Vom Winde verweht“ vorerst aus dem Programm. Der Film verherrliche die Sklaverei, lautet die Begründung. Auch andere Sender sichten ihre Bestände.

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          Vor wenigen Jahren taugte die berühmte Szene aus dem Film „Vom Winde verweht“ - der Augenblick, bevor sich Scarlett O' Hara und Rhett Butler küssen -, den Nachrichtenagenturen noch dazu, den „Tag des Kusses“ zu bebildern. Auf die Idee würde heute so schnell niemand kommen. Die Verfilmung des Romans von Margaret Mitchell, der 1936 erschien und schnell zum Bestseller wurde, ist nicht länger eine Liebesgeschichte vor dem Hintergrund der untergehenden Südstaatengesellschaft in Amerika, sie ist ein Zeugnis der damaligen Sklavenhalter-Verhältnisse, das diese freilich nicht reflektiert, sondern in ein mildes Licht taucht. Deswegen nimmt das zu Warner Media gehörende Produktionsunternehmen HBO „Vom Winde verweht“ (Gone with the Wind) jetzt vorläufig aus dem Programm seines gerade erst gestarteten Streamingportals HBO Max.

          Michael Hanfeld
          verantwortlicher Redakteur für Feuilleton Online und „Medien“.

          „Vom Winde verweht“ sei „ein Produkt seiner Zeit und beschreibt einige der ethnischen und rassistischen Vorurteile, die unglücklicherweise in der amerikanischen Gesellschaft weit verbreitet waren“, sagte ein Sprecher von HBO. „Diese rassistischen Darstellungen waren damals falsch und sind es auch heute, und wir waren der Ansicht, dass es unverantwortlich wäre, diesen Titel ohne eine Erklärung und kritische Rüge dieser Darstellungen im Programm zu behalten." Der Film werde ins Programm zurückkehren „verbunden mit einer Diskussion seines historischen Zusammenhangs und der Kritik seiner Darstellungsweise“. Der Film werde nicht bearbeitet, sondern weiter in seiner Originalversion gezeigt. „Denn würden wir es anders machen, wäre dies so, wie zu behaupten, es hätte diese Vorurteile nie gegeben.“

          Genauso hatte es kurz zuvor der Autor und Produzent John Ridley, der 2014 für sein Drehbuch zu „12 Years a Slave“ den Oscar gewann, in einem Artikel in der „Los Angeles Times“ gefordert. Der Film verherrliche die Südstaaten vor dem Bürgerkrieg: „Es ist ein Film, der, wenn er nicht gerade den Schrecken der Sklaverei ignoriert, sich darin gefällt, einige der schmerzhaftesten Stereotype über ,People of Color' zu verstetigen“, schrieb Ridley. HBO solle, so sein Monitum, den Film nicht verbannen, sondern nach einer gewissen Zeit gemeinsam mit anderen Filmen wieder ins Programm nehmen, die ein komplexeres Bild der Sklaverei und der Gesellschaft der amerikanischen Südstaaten zeigten. Am besten solle man dies mit einer Diskussion über „Narrative“ begleiten und herausstellen, warum es wichtig ist, viele Stimmen und unterschiedliche Perspektiven wahrzunehmen.

          In „Vom Winde verweht“, gedreht 1939, fast vier Stunden lang, ausgezeichnet mit acht Oscars und zwei Ehren-Oscars, spielen Vivien Leigh und Clark Gable in einer verwickelten Geschichte ein unglückliches, vom Schicksal gebeuteltes Paar. Das Sklavendasein der Afroamerikaner erscheint hier als Selbstverständlichkeit. Für ihre Darstellung der Sklavin und späteren Hausdienerin „Mammy“ wurde Hattie McDaniel als erste schwarze Schauspielerin mit dem Oscar geehrt, als beste Nebendarstellerin. Den Film, den HBO nun vorläufig zurücknimmt, gibt es freilich nicht nur auf dem neuen Streamingportal HBO Max zu sehen, bei Amazon Prime Video ist er in der Ausleihe für 3,99 Euro.

          Unter dem Eindruck der Antirassismus-Proteste nach dem Tod des durch Polizeigewalt ums Leben gekommenen Afroamerikaners George Floyd sichtet indes nicht nur HBO sein Programm. Der amerikanische Kabelsender „Paramount Network“ hat die Reality-Serie „Cops“ eingestellt, die Polizeibeamte bei ihren Einsätzen begleitet. Die Serie lief seit 1989 bei verschiedenen Sendern, zuerst bei Fox, zwischenzeitlich bei Spike TV. Das Sendeunternehmen A+E, zu dem verschiedene Kanäle gehören, hat seine gleichartige Reality-Serie „Live PD“ ausgesetzt.

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