ARD und ZDF unter Verdacht : Alle Befürchtungen bestätigt
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Die deutschen Sender und die Produktionsfirmen sind auf geradezu irrsinnige Weise miteinander verwoben. Der Medienökonom Harald Rau erklärt, warum das vor allem für ARD und ZDF gilt.
Sie haben eine Untersuchung zu Verflechtungsstrukturen der fünf größten deutschen Fernsehsender aufgelegt. Wie kamen Sie auf die Idee?
Ich beschäftige mich schon länger mit Medienunternehmen in Europa, und um hier alles zu durchdringen, müsste man tatsächlich Kartellrechtsprofi mit internationaler Ausrichtung sein. Allein in Deutschland haben wir in der Branche sehr komplexe Verflechtungsstrukturen. Meines Erachtens besteht überall dort, wo es duale Rundfunkstrukturen gibt, eine Tendenz dazu, Verflechtungen nicht offenzulegen.
Die Verflechtungen, die Sie aufzeigen, sind atemberaubend. Haben Sie mit einem solchen Geflecht gerechnet?
Sagen wir, ich habe es „befürchtet“. Es beginnt damit, dass man aus den Konzernen einzelne Sender herauslösen muss. Schon das ist schwierig, weil Sie oft gar keine Daten dazu finden. Viele private Sender unterliegen nicht der Publikationspflicht. Da ist es leicht, Verbindungen zu verschleiern. Es gibt hier große Unterschiede zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern. Doch für beide gilt: Die inneren und äußeren Verflechtungen so zu durchdringen, dass nachvollziehbar wird, wie Sender mit Produktionsfirmen verwoben sind - das ist wirklich mühsam. ANTWORT: Ich halte es aber für wichtig, dass jeder Zuschauer genau dies einfordern kann, zumindest bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. Da gibt es eine „lack of transparency“, eine Transparenzlücke.
Schauen wir auf die öffentlich-rechtlichen Sender.
Das Ergebnis ist: Alle unsere Befürchtungen wurden bestätigt. Wo wir hingeschaut haben, förderten wir sehr intransparente, auch durchaus problematische Verflechtungsstrukturen zutage. Wenn Sie sich zum Beispiel die Beteiligungsstrukturen beim ZDF anschauen, die auf der zweiten Ebene noch vergleichsweise gut sortiert sind: Für die Tochterfirma ZDF Enterprises haben wir vierzehn Beteiligungen unterschiedlicher Größe gefunden - darunter auch Konstruktionen, bei denen ZDF Enterprises sowohl direkt beteiligt ist als auch über eine Gesellschaft, an der Enterprises wiederum mit 49 Prozent beteiligt ist. Wie will man solche Konstruktionen gegenüber Haushaltsabgaben-Zahlern begründen? Zudem ist das alles problematisch, wenn es um Produktionsgesellschaften geht, die das eigene Unternehmen bei der Vergabe von Aufträgen bevorzugen könnte.
Meinen Sie die Produktionsfirma Network Movie, die eine hundertprozentige Tochter von ZDF Enterprises ist und die wiederum hundertprozentige ZDF-Tochter? Network Movie dreht die meisten Filme fürs ZDF.
Ich unterstelle niemandem böse Absichten. Aber es ist nicht zu rechtfertigen, dass eine von mir mitfinanzierte Anstalt so agiert. So entsteht automatisch der Verdacht, dass es hier Mauscheleien geben könnte. In der ganzen Welt reden wir über Korruptionsbekämpfung und Compliance-Regelungen. Wenn Sie sich die Compliance-Regeln für Manager in großen Firmen heute anschauen: Die testen ihre Manager auf vielen Ebenen, inwiefern sie korrumpierbar sein könnten. Wir müssen als Gesellschaft Transparenz einfordern, und der Zuschauer muss wissen, dass er hier nicht hinter die Kulissen schauen kann, weil es sich um einen „closed job“ handelt.
Sie sprechen in Ihrer Studie von Marktverzerrung.
Marktverzerrungen können wir nicht ausschließen. Diese Beziehungen sind für den Fernsehzuschauer intransparent, also nicht nachvollziehbar. Und das ist für ein öffentlich-rechtliches System nicht tragbar. Nehmen Sie die Fünfzig-Prozent-Beteiligung der ZDF Enterprises an der Bavaria Fernsehproduktions GmbH, die ihrerseits die Colonia Media Filmproduktionsunternehmen GmbH in Köln besitzt. Da treffen wir auf Beziehungen, die direkt mit dem, was ausgestrahlt wird, in Verbindung stehen. Mein Programm, also in diesem Fall das ZDF, „dealt“ mit Unternehmen, die über den privatwirtschaftlich operierenden Teil des ZDF wieder rückverbunden sind. Das sollte in einem öffentlich-rechtlichen System nicht der Fall sein. Aus meiner Sicht ist der Gesetzgeber gefragt.
Wer könnte Abhilfe schaffen?
Ich würde mich sehr freuen, wenn sich die Monopolkommission der Thematik annimmt. Es geht nicht allein darum, dass man die Verflechtungen nicht nachvollziehen kann. Wir haben drei Monate geforscht, um die Verflechtungen aufzuzeichnen, und wir haben uns verpflichtet, nur Quellen zu verwenden, an die auch der normale Fernsehzuschauer käme. Der Aufwand ist gigantisch. Es gibt keine Übersicht, die man mit einem Klick im Internet bekäme. Meine Meinung: weil es vom System nicht gewollt ist.