Verizons Filterblase : Über diese beiden Themen dürfen Sie niemals schreiben!
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Datenspion im Mobiltelefon: Verizon Wireless Bild: AFP
Die Telekommunikationsfirma Verizon verbietet den Redakteuren ihres Onlinemagazins, über Spionage und Netzneutralität zu berichten. In beiden Bereichen verfolgt das Unternehmen handfeste Interessen.
Dass Unternehmen eigene Zeitschriften und Portale gründen, die mit großen Budgets und Redaktionen oft ein ansehnliches Programm auf die Beine stellen, ist keine ganz neue Entwicklung. Red Bull, die Allianz oder Coca-Cola leisten sich etwa seit Jahren solche Magazine. Meist bieten sie eine Mischung aus Nachrichten, Boulevard und philantropischen Rührgeschichten. Dass diese Publizistik nicht ganz selbstlos ist, lässt sich vermuten, aber selten beweisen.
Auch das amerikanische Telekommunikationsunternehmen Verizon ist jüngst ins Nachrichtengeschäft eingestiegen. Die von ihm finanzierte Website Sugarstring.com verspricht umfassende Informationen aus Technologie und Lifestyle. Die Redaktion ist gerade im Aufbau. Und weil es offenbar noch einige Lücken gibt, schickte Chefredakteur Cole Stryker einer Reihe amerikanischer Journalisten eine Mail, um sie abzuwerben. Die Post hat es in sich: Über zwei Themen dürfen die Redakteure von Sugarstring nämlich laut Vertrag ausdrücklich nicht berichten: amerikanische Spionage und Netzneutralität. „Two verboten topics“, heißt es flapsig deutsch-englisch in Strykers Mail. So berichtet es das Onlinemagazin „The Dot Daily“, das eine Mail von Stryker bekam und die Sache publik machte.
Datenlieferant der Geheimdienste
Nun liegen Spionage und Netzneutralität nicht gerade an der Peripherie des Technikjournalismus. Und es sind Felder, in denen Verizon massiv eigene Interessen verfolgt. Als Edward Snowden im vergangenen Jahr aufdeckte, welche Unternehmen ihre Daten an den amerikanischen Geheimdienst weitergeben, stand Verizon weit oben auf der Liste. Über Jahre hinweg und in beträchtlichem Umfang gab der zweitgrößte Telekommunikationsanbieter der Welt seine Verbindungsdaten an den amerikanischen Geheimdienst NSA weiter. Wozu er gesetzlich verpflichtet war, wofür er aber, wie aus den Snowden-Papieren hervorgeht, von der NSA auch finanziell entschädigt werden sollte.
Dass Verizons Mobilfunktochter Wireless die Bewegungen seiner Nutzer im Netz detailliert nachverfolgt, dürfte für Journalisten, die über Internetspionage berichten, auch nicht gerade uninteressant sein. Der britische Geheimdienst GCHQ zählt Verizon zu einem der wichtigsten Zuträger bei der Überwachung der weltweiten Informationsströme.
Da überrascht es kaum noch, dass Verizon, das auch ein umfangreiches Kabelnetz unterhält, seit Jahren die Phalanx der Gegner der Netzneutralität anführt, der gleichberechtigten Weiterleitung aller Datenpakete im Internet. Verizon will ein Netz mit mehreren Geschwindigkeiten, und es will, dass man für den schnelleren Datenverkehr bezahlt. Über all das dürfen die Reporter von Sugarstring nicht berichten, die, so heißt es in einem kleinen Hinweis am Ende jedes Artikels, bei Verizon unter Vertrag stehen, aber nicht notwendig die Meinung des Unternehmens wiedergeben müssen. Das klingt offen, aber die Punkte, in denen Meinungsunterschiede kritisch für das Unternehmen sein könnten, sind ja bereits vertraglich getilgt.
Deutlicher als gewohnt drückt sich in dieser Geschichte die Wahrheit über Corporate Journalism aus: Publizistik als Filterblase von Firmeninteressen unter der täuschenden Vorgabe umfassender Information. Auf eine Nachfrage dieser Zeitung hat Verizon bisher nicht geantwortet.