Unsere Promis : Für den kleinen Glamourhunger zwischendurch
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In jedem Star steckt auch ein Promi - umgekehrt gilt das aber nicht. Leonardo DiCaprio (von links), Verona Pooth, Sylvie Meis, Iris Berben, Sonya Kraus, Axel Milberg und seine Frau Judith Bild: AP, dpa, Getty
Prominente sind unsere Stellvertreter im Reich des Ruhms und die immerverwendbare Sättigungsbeilage unserer Gesellschaft. Inzwischen gibt es ziemlich viele davon. Eine Polemik.
Um die Jahrtausendwende herum erzählte der Schauspieler Axel Milberg einmal, was geschieht, wenn er bei Abendessen auf die Frage nach dem Beruf Schauspieler angibt. Ein nervöses Ruckeln erfasst das Gegenüber, es folgt ein langer prüfender Blick und schließlich die gedehnte Frage: „Muss ich Sie kennen?“ Milberg zählte dann stets, hastig und ein wenig beschämt, im Dienste der Selbstlegitimation einige seiner Rollen in Theater, Kino oder Fernsehen auf.
Heute könnte ihm das nicht mehr passieren. Da ist der Frager der Trottel. Klar kennt man den! Weil der „Tatort“-Kommissar ist. Und jeder guckt sonntags „Tatort“, das derzeit effektivste Fernsehformat für einen Schauspieler, um Prominenz zu generieren oder zu stabilisieren. Selbst wer nicht guckt, weiß aus Presse oder Facebook-Kommentaren, um wen es geht. Und was der Kommissar aus Kiel sonst noch so macht: Kinderhilfswerke in Afrika unterstützen und Henning-Mankell-Hörbücher sprechen oder den „Champagne-Preis für Lebensfreude“ entgegennehmen.
Homöopathie für Alle
Dieser Axel Milberg ist nämlich: ein Promi. Er hat nebenbei auch einen Beruf, den des Schauspielers, und in dem ist er außerordentlich gut. Seine Prominenz hat damit nichts zu tun. Die folgt dem homöopathischen Prinzip, nach dem man sich mit der Anzahl all jener multipliziert, die einen kennen, ohne dass man sie selber kennt. Beim Schulschwarm ist das der Faktor eins zu hundert, bei Angelina Jolie etwa eins zu zweieinhalb Milliarden. Der Effekt ist der gleiche wie bei der homöopathischen Verdünnung, deren Zweck es ist, Ähnliches durch aufgelöstes Ähnliches zu heilen. Erst wenn der prominente Mensch bis unterhalb der Nachweisgrenze seiner Ursprungsleistung in der Masse verdünnt ist, kann der Placebo-Effekt greifen. Man muss an den Promi glauben, damit er seine Wirkung als unser Stellvertreter im Parlament des Ruhms entfaltet. Einer, der so ist wie wir, nur bekannter. Und ein wenig begabter oder ehrgeiziger oder schöner.
Axel Milberg braucht, sollte er heute noch einmal gefragt werden, nicht von der Otto-Falckenberg- Schule oder seinen 17 Jahren an den Münchner Kammerspielen zu erzählen. Er könnte einfach sagen: „Ja, Sie müssen mich kennen. Ich bin nämlich Sie - im Verhältnis eins zu Bodensee.“
Natürlich hat es ihn immer gegeben, den Star von nebenan, dessen Autogramm im Partykeller über der Theke an die Wand gepinnt wurde. Und Lilli Palmer oder Hildegard Knef haben bereits in den siebziger Jahren ihren Ruhm in Bestseller umgemünzt, während Kollegin Barbara Rütting selbstgebackenes Brot vertrieb. Und doch gab es früher eine Trennschärfe zwischen denen, die sich heute Normalos nennen, den Zuschauern also, und jenen, die ihre Flatscreens, Leinwände und Illustriertenseiten bevölkern. Der Seufzer „Das könnt’ ich nicht“ war mal Ausdruck von Bewunderung. In ihm steckte auch ein „Das will ich gar nicht“, weil Ruhm eben etwas war, mit dem man sich nicht zuletzt bekleckerte. Während Sportler weiterhin dafür bewundert werden, vieles zu können, was den Fan Leib und Leben kosten würde, und daher weitgehend neidfrei ihre hoch bezahlten Karrieren absolvieren können, wurden Schauspieler von ihren Karriereermöglichern zunehmend zum Artigwerden in die Ecke gestellt.