Umgekehrter Rassismus : Wenn Täter und Opfer die falsche Hautfarbe haben
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Am 3. Dezember kamen Hunderte Studenten auf dem Campus der Columbia University zum Gedenken an den ermordeten Davide Giri zusammen. Bild: AFP
In New York wird ein Student aus dem Piemont mutmaßlich von einem schwarzen Gangmitglied erstochen. In Italien fällt auf, wie vorurteilsbeladen die „New York Times“ über den Fall berichtet.
Am 2. Dezember, kurz vor elf Uhr abends, wurde Davide Giri in New York erstochen. Giri, 30 Jahre alt, stammte aus der italienischen Region Piemont und war Doktorand der Computerwissenschaften an der Columbia University. Giri befand sich auf dem Heimweg vom Fußballtraining, er war Verteidiger bei New York International FC. Giri erlag seinen Stichverletzungen auf dem Weg ins Krankenhaus.
Die Bluttat ereignete sich nahe der Kreuzung Amsterdam Avenue, Ecke West 123rd Street in Upper Manhattan, unweit des Morningside Parks. Wenige Häuserblocks entfernt war im Dezember 2019 die 18 Jahre alte Tessa Majors aus Virginia, Musikstudentin am Barnard College, von drei Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 14 Jahren ausgeraubt und erstochen worden. Der Mord hatte damals erhebliches Aufsehen erregt: Weil das (weiße) Opfer so jung war – und die inzwischen verurteilten (schwarzen) Täter noch jünger waren.
Drei Angriffe in einer Nacht
Wenige Stunden nach dem Tod von Davide Giri wurde der 25 Jahre alte Schwarze Vincent Pinkney als dringend Tatverdächtiger festgenommen. Pinkney wird außerdem beschuldigt, kaum eine Viertelstunde nach der Attacke auf Giri auf einen weiteren Mann eingestochen zu haben. Auch bei dem zweiten Opfer handelte es sich um einen Italiener, den 27 Jahre alten Roberto Malaspina aus Perugia, der erst tags zuvor in New York eingetroffen war, um ebenfalls ein Studium an der Columbia University aufzunehmen. Malaspina wurde am Rücken und im Unterleib verletzt. Er überlebte die erheblichen Stichverletzungen.
Zur Festnahme Pinkneys kam es nach einem dritten Angriff in derselben Nacht. Bei dieser letzten Attacke, im nördlichen Teil des Central Parks auf ein Pärchen, das seinen Hund ausführte, wurde niemand verletzt. Aufgrund der Täterbeschreibung durch die Angegriffenen konnte Pinkney unmittelbar nach der dritten Attacke festgenommen werden. Ein Augenzeuge wurde von der Polizei mit der Beobachtung zitiert, Pinkney sei kurz vor dem Zugriff der Beamten „fröhlich herumgehüpft“. Später hieß es, Pinkney könnte unter dem Einfluss von Metamphetamin gestanden haben. Ob Pinkney mit einem weiteren Messerangriff vom Abend des 1. Dezember in Verbindung steht, ist unklar. Bei dieser Attacke wurde, ebenfalls in der Nähe des Morningside Parks, ein Tourist aus Deutschland an Hals und Nacken schwer verletzt. Einer der Stiche verfehlte die Halsschlagader des 43 Jahre alten Deutschen nur um wenige Zentimeter.
In den italienischen Medien fanden die Messerangriffe von Manhattan großen Widerhall. Nicht nur wegen der beiden Opfer aus Italien, sondern vor allem wegen eines Artikels von Federico Rampini im „Corriere della Sera“ vom 7. Dezember. Rampini, Jahrgang 1956, ist einer der profiliertesten italienischen Journalisten, er hat für alle maßgeblichen Qualitätszeitungen des Landes geschrieben und ist Autor zahlreicher Sachbücher. Vor seinem Wechsel als Kolumnist zum liberal-konservativen „Corriere“ war er Korrespondent für die linksliberale „La Repubblica“, unter anderem in San Francisco und New York.