Ulrich Tukur im Interview : Mörder sind interessanter
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„Es gibt Harmonien, die mir nicht liegen, aber darauf kommt es nicht an” - Ulrich Tukur in Hamburg Bild: Daniel Pilar
Was soll an einem Ermittler aufregend sein? Was soll das bitte heißen, auf der Bühne „porös“ zu spielen? Und konnte Hans Albers etwa singen? Ulrich Tukur über sein Debüt als „Tatort“-Ermittler, den Abschied vom Theater und über sein neues Album.
Ulrich Tukur ist noch nicht in Hamburg, in seiner alten Heimat, angekommen. Im Hotel „Reichshof“, das er wegen seiner Art-déco-Einrichtung liebt, erzählt er erst einmal von seinem Bauerngut im nördlichen Apennin.
Der Schauspieler, 53, der seit zehn Jahren mit seiner zweiten Frau, der Fotografin Katharina John, in Italien lebt, abwechselnd in Venedig und dem Dorf Montepiano, berichtet von den Leiden des Großgrundbesitzers („Besitz ist das Schlimmste“) und schwärmt von dem Wein, den er seit zwei Jahren in der unwirtlichen Gegend auf tausend Metern Höhe anbaut. In zwei Jahren will er die ersten Trauben ernten.
Sie haben sich bisher musikalisch immer gegen Max Raabe abgegrenzt. Erstens seien Sie länger dabei und der „Älteste im nostalgischen Segment“, zum anderen würden Sie ja mit Ihrer Vier-Mann-Rhythmus-Boys-Truppe etwas ganz anderes machen. In Ihrem neuen Album „Mezzanotte“ singen Sie nun Schlager und Chansons vor allem aus den dreißiger und vierziger Jahren mit großem Orchester. Wildern Sie damit nicht in seinem Revier?
Na und wenn schon, ich bin nicht Max Raabe und auch nicht Roger Cicero, ich habe keine Big-Band- Stimme. Aber ich wollte es trotzdem mal versuchen. Ich bekam das Angebot von der Deutschen Grammophon und dachte: Großartig! Deine Eltern haben doch immer die Platten mit dem gelben Prachtemblem gehört, ich werde geadelt, das mache ich! Ich hatte auch noch nie mit einem erfahrenen Toningenieur aufgenommen oder mit Orchester - und das in einem Studio mit Geld. Es war ein Riesenspaß.
Wie würden Sie denn Ihre Stimme beschreiben?
Als die eines 85-jährigen abgehalfterten Tenors.
Und wo liegen Ihre Grenzen als Sänger?
In der schieren Tonhöhe. Es gibt Töne, die ich nicht greifen kann. Und es gibt Harmonien, die mir nicht liegen. Aber darauf kommt es nicht an. Marlene Dietrich konnte nicht gut singen, Hans Albers nicht und Hildegard Knef gar nicht. Doch das waren Künstler, die es verstanden, so viel Herzblut und Seele in ihre Stimme zu legen, das es wurscht war, ob sie ein Belcanto hatten.
Als Schauspieler und auch privat suchen Sie ständig nach dem Neuen, der Veränderung, in Ihrem Musikgeschmack sind Sie nostalgisch und rückwärtsgewandt.
Na und? Mein Architekturgeschmack ist das auch. Ich kann es nicht erklären, ich fühle mich in dieser Zeit einfach wohl. Natürlich lebe ich hier und heute und gerne, aber eben auch in den Jahren zwischen 1918 und 1933. Aber Sie dürfen nicht vergessen, dass das natürlich nur meine Phantasie ist.
Es gibt zwei Versionen, warum Sie nicht mehr Theater spielen wollen. Die erste lautet, Sie könnten es sich nicht mehr leisten, weil das Leben in Venedig zu teuer sei und auch die Ausbildung Ihrer beiden Töchter aus erster Ehe. Die andere: Als Sie vor knapp einem Jahr bei der Beerdigung von Peter Zadek waren, sei Ihnen klar geworden, dass mit seinem Tod auch das Theater für Sie gestorben sei. Welche stimmt?
Die eine ist die langweilige, ökonomische Erklärung. Weitaus wichtiger war der Moment am Grab, weil sich da für mich auf sehr sinnliche Weise ein Lebenskreis schloss. Mit Zadek, wenn man das erste halbe Jahr in Heidelberg mal weglässt, hat alles angefangen. Ich habe 25 Jahre schweres Theater gespielt, habe mich über viele Bühnen geworfen, mit Ulli Waller auch selber ein Theater geleitet. Jedes Ding hat seine Zeit. Und dann starb er.
Wie kam es, dass Sie bei der Beerdigung dabei waren?