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Twitter zensiert : Mehr schlecht als recht

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Längst auch ein Kommunkationskanal von Neonazis: der Kurznachrichtendienst Twitter.

Längst auch ein Kommunkationskanal von Neonazis: der Kurznachrichtendienst Twitter. Bild: dapd

Freies Netz und nationale Wirklichkeit: Der Kurznachrichtendienst Twitter hat zum ersten Mal einen Account blockiert - den einer in Deutschland verbotenen Neonazi-Gruppe.

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          Den Kurznachrichtendienst Twitter kann man derzeit beim Spagat zwischen der universalen Idee des freien Internets und der Wirklichkeit beobachten. Zum ersten Mal musste das Unternehmen jetzt einen Twitter-Account blockieren. Es handelt sich um den der seit Ende September wegen Volksverhetzung verbotenen Neonazi-Gruppierung „Besseres Hannover“. Unmittelbar nach deren Verbot wandte sich die Hannoveraner Polizei per Fax an die Twitter-Firmenzentrale in San Francisco und forderte das Unternehmen auf, den Account @hannoverticker „umgehend und ersatzlos zu schließen“.

          Dieser Aufforderung kam Twitter zwar nicht nach, nutzte aber zum ersten Mal eine im Januar angekündigte Zensurmethode, der zufolge je nach Rechtslage eines Landes dort illegale Inhalte blockiert werden können. Damit wolle man angemessen auf national unterschiedliche Vorstellungen von freier Rede reagieren. „@hannoverticker unterdrückt“ erscheint so seit Donnerstag auf dem Bildschirm. Auch Facebook und Youtube haben reagiert und entsprechende Accounts entfernt.

          Die französische Bewährungsprobe

          Als einen „ganz wichtigen Schritt“ gegen die Verbreitung menschenverachtender Ideologie bezeichnete der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) das Vorgehen. Zumindest im Fall Twitter muss man das einschränken: Um die Tweets des unterdrückten Accounts wieder sehen zu können, reicht es, die Ländereinstellungen des eigenen Kontos von „Deutschland“ auf ein anderes Land zu setzen. Tut man das, sieht man eine Kurzmitteilung, welche die vermeintliche Zensur geißelt.

          Die Neonazis setzen auf den heiligen Gral des freien Netzes. Und ernten damit global Sympathien. Durch die Blogs wird nun wieder diskutiert, wo bei solchen Methoden die Grenzen seien. Was „noch verwerflicher sei als der Nazi-Trash“, fragte eine Twitterin und antwortete selbst: „Zensur“.

          Vor einer weiteren Bewährungsprobe steht Twitter in Frankreich. Am Donnerstag hat die Vereinigung jüdischer Studenten in Frankreich (UEJF) das Unternehmen verklagt. Per einstweiliger Verfügung will die UEJF Twitter zwingen, eine ganze Reihe antisemitischer Tweets mitsamt KZ-Fotos aus dem Netz zu nehmen und die Adressen der Absender herauszugeben. „Es gibt einen Brand, den wir eindämmen müssen“, sagte der UEJF-Anwalt Stéphane Lilti. Von sich aus wollte sich Twitter bisher nicht an den Löschmaßnahmen beteiligen.

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