TV-Kritik: Sandra Maischberger : Dunkle Ecken und einfache Botschaften
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Moderatorin Sandra Maischberger Bild: dpa
Wie verändern Flüchtlinge unser Land? Das kann noch niemand wissen. Dabei gibt es Lösungsvorschläge, die vielversprechend sind.
Die Stimmung in der Flüchtlingsdebatte sei gekippt. Die „Grummelnden in den dunklen Ecken des Internets, der CDU und die Springerpresse“ hätten den Diskurs übernommen. Das diagnostizierte gestern Abend der Journalist Jakob Augstein. In solchen dunklen Ecken kann man sicher Aussagen wie diese lesen, bezogen auf den CDU-Politiker Thomas Strobl aus Baden-Württemberg: „Strobl kann jetzt sagen, jetzt betrifft es schon die deutschen Volksgenossen wegen der bösen Ausländer“. Hintergrund war die Kündigung einer kommunalen Wohnung durch eine Stadtverwaltung. Die langjährige Mieterin soll ausziehen, weil die Stadt Flüchtlinge unterbringen muss. Das aber stand gestern Abend nicht in den dunklen Ecken des Internets. Diesen Nazi-Jargon benutzte Augstein bei Sandra Maischberger.
Es war kein Ausrutscher, sondern ein bewusst eingesetztes rhetorisches Stilmittel. Das wurde spätestens deutlich als es um die Bochumer Polizeibeamtin Tania Kambouri ging. Ihre Eltern stammen aus Griechenland, sie wurde aber in Bochum geboren. Kambouri ist das, was man unter einem Musterbeispiel für gelungene Integration versteht. Für Augstein ist sie ein Problem. In seinem keineswegs linken Paralleluniversum darf es eine Frau wie Kambouri nicht geben. Sie war vor zwei Jahren mit einem Leserbrief bekannt geworden, in dem sie schonungslos die alltäglichen Schwierigkeiten der Polizei mit zumeist jungen Männern aus muslimischen Einwanderer-Milieus schilderte. Respektlosigkeit, Beleidigungen, tätliche Übergriffe.
Einschüchterungen bis zur Selbstdemontage
Augstein wusste, was ihn erwartete. Was liegt näher, als es bei der Bochumer Kommissarin gleich mit kaum versteckten Beleidigungen zu versuchen? Ihre Erfahrungen seien nicht verallgemeinerbar. Warum hier nicht ein Hamburger Kriminologe säße? Der wüsste wohl alles viel besser - nämlich so wie Augstein. Sein einziges Ziel war die Einschüchterung einer jungen Frau, die fast über Nacht zur öffentlichen Person geworden ist. Ein Medienprofi wie Augstein macht das selbstredend anders als dumme Jungs auf Bochumer Straßen.
In diesem Fall führte das allerdings zur Selbstdemontage von Augstein. Er berichtete von Deutschen mit Integrationsproblemen. Sie könnten nicht mit Einwanderern umgehen, die den sozialen Aufstieg geschafft haben. Die gibt es bestimmt. Augstein hatte ja auch mit Frau Kambouri ein Problem. Erfahrungen wie mit jungen Muslimen habe sie mit Deutschen nicht gemacht, so ihre Aussage. Außer jetzt mit Augstein, so wäre hinzuzufügen.
Renate Künast (Grüne) hat das alles übrigens nicht gestört. Sie hat das noch nicht einmal bemerkt. Sie wird ein derartiges Verhalten noch von Joschka Fischer gekannt haben. Aber dafür wollte sie ernsthaft mit der Bochumer Polizistin darüber diskutieren, ob sie sich im Einsatz im Namen der Religionsfreiheit vor den Türen von Muslimen die Schuhe ausziehen muss. Vielleicht sollte sich Frau Künast bei der Bochumer Polizei um ein Praktikum bemühen. Sie sollte aber festes Schuhwerk wählen.
Eine einfache Botschaft
Tania Kambouri hatte in der aktuellen Flüchtlingsdebatte eine einfache Botschaft: Wer in diesem Land dauerhaft leben will, muss sich anpassen. So wie sich ihre Eltern angepasst hatten. Sie selbst bleibt trotzdem Griechin, so ihre Aussage, mit doppelter Staatsangehörigkeit. Eine solche Polizistin steht für den gesellschaftlichen Fortschritt der vergangenen zwanzig Jahre, übrigens von Einwanderern und Frauen.
Augstein sprach davon, dieses Land werde sich durch die Flüchtlinge verändern. Dieses Land hat sich längst verändert. Kambouri verkörpert das geradezu. Sie formulierte die Botschaft, die die Flüchtlinge von uns erwarten dürfen. Das ist hilfreicher als weitere Papierstapel zum Thema Leitkultur aufzuhäufen. Oder das Grundgesetz auf Arabisch zu verteilen, das wahrscheinlich noch nicht einmal Augstein komplett auf Deutsch gelesen hat. Anpassung bedeutet, die Grundsätze dieses Landes zu akzeptieren. Ob als Muslim, Christ oder Atheist. Die kulturellen Traditionen haben sich dem unterzuordnen. So einfach ist das. Selbst für Deutsche mit Integrationsproblemen wie Augstein.