TV-Kritik: „Hart aber fair“ : Politische Dampfplauderei um die Burka
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Sitznachbarn bei „Hart aber fair“: Michel Friedman, Journalist und Moderator, mit Khola Maryam Hübsch, Journalistin und Buchautorin Bild: WDR/Dirk Borm
Das Burka-Phantom stimuliert rhetorische Ersatzhandlungen. Bei Frank Plasberg gab es Getöse, einige Knallerbsen und eine kurze Selbstvermummung.
Der Innenminister sieht wenig Chancen für ein generelles Verbot von Burka und Niqab. Obschon es vorgeblich um die Befreiung unterdrückter Frauen geht, obschon die Frauen bei ihrer Befreiung mehr als nur ein Wörtchen mitzureden hätten, wechselt Moderator Frank Plasberg im Eifer des Anheizers das Geschlecht der Trägerin: „Ist die Vollverschleierung so suspekt, weil wir nicht mehr in ein Gesicht sehen können, weil wir ihn nicht sehen können?“ Wen meint Plasberg mit ihn? Die Person, die in der Burka steckt? Oder den Mann, der die Frau dazu zwingt, die Burka zu tragen? Leider wurde die Redaktion keines solchen Mannes habhaft, der dazu bereit gewesen wäre, den Burkazwang zu begründen.
Immerhin gab es nach langer Sendepause mal wieder Gelegenheit für die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner, sich in Szene zu setzen. Der Fraktionsvorsitz im Landtag ihres Bundeslandes lässt genug Freiraum für einen Fernsehauftritt. Klöckner will Vollverschleierung verbieten. Das Tragen einer Burka versteht sie als Integrationsverweigerung. Die Autorin Khola Maryam Hübsch engagiert sich für eine offene Gesellschaft. Es sei nicht Sache des Staats, Bekleidungsvorschriften zu erlassen. Der Journalist Dirk Schümer steht sichtlich unter Dampf. „Bis hierher und nicht weiter“, wendet er sich gegen die Signalwirkung der Burka. Bei uns verstecke man das Gesicht nicht.
Nun ist das Gesicht ein weites Feld. Es kann sehr verschlossen sein. Manchmal erzählen ein Gesicht und seine Mimik mehr, als dem Mimen lieb sein dürfte. Claudia Roth kritisiert die Stimmungsmache und das Schüren von Ängsten. Die Debatte sei bloße Symbolpolitik. Michel Friedman sitzt sehr entspannt und etwas melancholisch zwischen den Lagern. Die Burka sei ein Problem, aber es zum Gegenstand eines Gesetzes zu machen, findet er übertrieben.
Plasbergs Rechenkünste
Nun gibt es Gelegenheit für ein Umfrageergebnis. Danach seien 81 Prozent der Deutschen für ein teilweises Burkaverbot. Der Moderator rechnet sehr großzügig zusammen, wenngleich die Umfrage im Auftrag des ARD-Morgenmagazins tatsächlich ergeben hat, dass 51 Prozent der Befragten für ein generelles Burkaverbot sind, 30 Prozent sind für ein teilweises Verbot.
Frau Klöckner ist überzeugt davon, dass man in Deutschland Gesicht zeige und auf Augenhöhe kommuniziere. Die Burka stehe symbolisch für den fundamentalistischen Islam. Den toleriert sie nicht. Claudia Roth geht auf Gegenkurs. Wie wäre es anders zu erwarten. Das Thema erlaubt politisches Dampfplaudern. Zur offenen Gesellschaft gehöre Offenheit. Für die CSU gehört der Islam nicht zu Deutschland. Die Religionsfreiheit wird in Bayern besonders geschützt. Bis 1995 hing in allen Klassenzimmern der bayerischen Volksschulen ein Kreuz. Dem hat das Bundesverfassungsgericht ein Ende gesetzt. Noch so ein Kulturkampf.
Plasberg addiert munter die Zahlen der ARD. Tatsächlich sind 38 Prozent der Grünen-Wähler für ein generelles Burkaverbot und 39 Prozent für ein teilweises Verbot (in Schulen und im Staatsdienst). Erwartet er von Frau Roth Wählerschelte? Natürlich nicht. Stattdessen fragt er sie, was sie denke, wenn sie eine Burka sehe. Was soll sie darauf antworten? Offenkundig zielt die Frage nicht aufs Denken. Dirk Schümer zitiert immerhin den Religionsphilosophen Emmanuel Levinas – „der Andere, der sich im Antlitz manifestiert“ – nur missbraucht er seinen Kronzeugen, denn in Levinas' Denken haben der Imperativ, das Müssen und das Sollen keinen Platz. Die Burka bewirkt in Schümer das Gefühl, ausgeschlossen zu sein. Das ist kurios. Denn wenn man den Kritikern der Burka Glauben schenkt, schließt sie ihre Trägern ein.
Ließe sich Schümers Kritik als Sehnsucht nach Umschluss deuten? Dann steckte hinter der philosophischen Dampfplauderei etwas ganz Anderes. Seine Argumentation wird durch das Zitat Alice Schwarzers nicht besser, wonach der Niqab das soziale Totenhemd der muslimischen Frauen sei. Schümer fühlt sich von der Burka bedroht, weil er nicht weiß, was sein verschleiertes Gegenüber macht. Ein bisschen viel Projektion bringt er so ins Spiel.
Burka und Niqab als der neue Punk