
TV-Kritik: Hart aber fair : Im Himmelreich der Ideen
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Es ist eher das Elend der deutschen Debatte, die sich in ihrem Idealismus des freundlichen Gesichts nicht beirren lassen will. „Wir können auch einmal böse Deutsche sein, das ist kein Problem“, so Somuncu mit dem ihm eigenen Sarkasmus. In welche Widersprüche man sich dabei verwickelt, wurde an zwei Fotos deutlich, mit denen Plasberg die Realität der sicheren Außengrenzen dokumentierte. Flüchtlinge vor dem Zaun in Ungarn, ohne jede Chance einzureisen. Aber diese Bilder seien noch harmlos, so Münkler. Was würde eigentlich passieren, wenn die zumeist jungen Männer an diesen Außengrenzen mit Gewalt den Grenzdurchbruch erzwingen wollten? Man sie mit „militärischen Mitteln“ daran hindern müsse? Münkler nannte den Einsatz von Blendgranaten.
Selbstredend will niemand solche Bilder sehen, aber sie sind die Konsequenz sicherer Außengrenzen. Es gibt kein Recht auf Einwanderung nach Europa. Es war das falsche Signal der Kanzlerin an die Flüchtlinge, so Somuncu, den gegenteiligen Eindruck zu erzeugen. Es habe aber vor allem „unsere Position in Europa in Frage gestellt.“ Stoiber wies immer wieder auf die europapolitische Isolierung dieser deutschen Flüchtlingspolitik hin. Wie sehr sich nicht nur die Osteuropäer übergangen fühlten, die eine andere Sichtweise zu diesem Thema als die Bundesregierung hätten. Frau Roth will allerdings „in einem solchen Europa nicht leben“, wo man gewisse Sachverhalte anders sieht als sie selbst.
Offensichtlich ist daher Frau Roth der Meinung, den anderen Europäern vorschreiben zu dürfen, in welchem Europa sie leben müssen. Es ist diese Ignoranz gegenüber anderen Standpunkten, die die deutsche Politik nicht nur in der Flüchtlingskrise charakterisiert. Frau Roth wies mit guten Gründen auf die Rolle Deutschlands als wirtschaftspolitischer Schulmeister in der Eurokrise hin. Am deutschen Wesen, nur zur Abwechslung bei den Flüchtlingen mit einem freundlichen Gesicht, soll die Welt wieder einmal genesen. Aber das beschränkt sich auf das Himmelreich der Ideen. In der tristen Wirklichkeit will man es der Türkei überlassen, die Zahl der Flüchtlinge im kommenden Jahr so zu begrenzen, dass die Bundeskanzlerin ihren Politikwechsel einlösen kann. Die deutsche Politik willl schließlich nicht mit der Verantwortung belästigt werden, die die Bilder bei der Sicherung der deutschen und europäischen Außengrenzen dokumentieren werden.
Integrationspflicht für Flüchtlinge
Vor allem Stoiber und Somuncu machten gestern Abend den Zynismus deutlich, der hinter dem freundlichen Gesicht der Flüchtlingspolitik dieser Bundesregierung zu finden ist. Aber dafür hat die CDU gestern Abend die Integrationspflicht für Flüchtlinge beschlossen. Sie sollen sich zu den Grundwerten dieser Gesellschaft bekennen. Das ist in Deutschland ohne den entsprechenden bürokratischen Aufwand nicht zu machen, weswegen Schwennicke diese Idee für „lächerlich“ hält. Will man aber wirklich Flüchtlinge zu politischen Meinungen verpflichten?
Es ist keineswegs verboten, etwa die Gleichberechtigung von Männern in den Führungsgremien einer Partei durch Einführung eines Matriarchats zu ersetzen. Man darf sogar die innerparteiliche Willensbildung durch Parteitagsinszenierungen ersetzen. Letzteres ist in allen politischen Parteien eine beliebte Übung, die allerdings Sozialdemokraten nicht immer gelingt. So wissen wir seit gestern Abend, was uns das Jahr 2015 gebracht hat. Laut Münkler den Beginn einer Debatte über die zukünftige deutsche Identität. Angesichts der Erfahrungen des vergangenen Jahres wissen wir nicht, ob man sich jetzt wirklich auf das kommende Jahr freuen soll. Frank Plasberg wird uns darüber ab dem 11. Januar weiterhin auf den neuesten Stand bringen. Immerhin etwas.