TV-Kritik: „Hart aber fair“ : Die Jutta Ditfurth des Neoliberalismus
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Engagierte Anwältin der Rentenpolitik einer großen Koalition: Ursula von der Leyen Bild: dpa
Wie der Poker um die große Koalition bei den Genossen ankommt, wollte Plasberg wissen. Die originelle Antwort lautete: Bei den Medien kommt er nicht besonders gut an.
Alle vier Jahre gibt es zwischen dem erfolgreichen Abschluss des Koalitionsvertrages und der Wahl eines neuen Bundeskanzlers das gleiche Ritual. Die Medien spekulieren über die möglichen Gegenstimmen für den Kanzler aus dem eigenen Lager – und fragen sich zugleich, wer jetzt wegen seiner fehlenden Berücksichtigung bei der Verteilung wichtiger Ämter zu dessen innerparteilichen Gegnern gehören wird.
Im Jahr 2009 zählte der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach zu den Verlierern bei der Kabinettsbildung. Es erscheinen unzählige Analysen über die neue machtpolitische Arithmetik. Im eher seichten Boulevard übt man sich derweil schon in dem Hochschreiben der neuen Stars im Kabinett, inclusive intimer Einblicke in ihr Privatleben. Der Aufstieg des Freiherrn zu Guttenberg zur späteren politischen Supernova begann in jenem Herbst 2009.
Jeder Schritt der neuen Kabinettsmitglieder wird mit Argusaugen beobachtet. Damals waren es etwa die Englischkenntnisse des designierten Außenministers, während sich für den Koalitionsvertrag kaum jemand interessierte, außer vielleicht ein paar Hoteliers und pflichtgemäß die Wahlverlierer in der Opposition. Gleichzeitig fehlt es nie an mahnenden Stimmen über das Zuviel an Personalisierung, natürlich ebenfalls in den Medien. Die gleichen Stimmen kritisieren allerdings heute das Fehlen der Kabinettsliste.
Wenn Persönlichkeit überzeugt, auch ohne Amt
Es ist bezeichnend, wie sehr sich gestern Abend Frank Plasberg darum bemühte, das Fehlen der Kabinettsliste als Grundlage für den SPD-Mitgliederentscheid kritisch zu reflektieren. Er muss allerdings ein schlechtes Gedächtnis haben. Denn nichts von dem, was angeblich so wichtig an der frühzeitigen Bekanntgabe der Namen zukünftiger Minister sein soll, spielte in der Debatte vergangener Zeiten eine Rolle. Minister prägen mit ihrer Persönlichkeit das Amt, so ließ es Plasberg namenlose wie bekannte SPD-Mitglieder in Einspielern ausdrücken. Aber in den Fällen Guttenberg oder Guido Westerwelle wohl anders als man zuerst dachte. Und der Zirkus, den die Medien bis zu seinem Verglühen um die Persönlichkeit des CSU-Freiherrn veranstalteten, ist ein besonderes Thema.
Insofern wirft es ein Schlaglicht auf die bisherige Debatte, dass einer der wenigen Gewinner in der CDU der vergangenen vier Jahre jener Mann ist, den man 2009 als einen der großen Verlierer diagnostizierte: Wolfgang Bosbach. Das macht übrigens Hoffnung. Für die Bedeutung des sogenannten „einfachen Abgeordneten“, wenn er mit seiner Persönlichkeit überzeugt, auch ohne Amt.
So war es nicht nur der großkoalitionären Harmonie geschuldet, wenn Ursula von der Leyen (CDU) und Thomas Oppermann (SPD) die Entscheidung, einmal nicht über Personalfragen zu reden, so vehement verteidigten wie gestern Abend. Es ist nicht nur für die Beiden eine neue Erfahrung. Zudem kennen sie den Betrieb gut genug. Die Medien hätten ihre eingeübten Rituale gepflegt. Und die gleichen Leute, die heute so vehement die ungeklärte Ministerfrage kritisieren, wären bestimmt mit dem Argument des Postenschachers zur Hand gewesen. Auf die argumentative Kohärenz darf man sich in solchen Debatten bekanntlich nicht verlassen.