TV-Kritik: Hart aber fair : Demokratie braucht Streit
- -Aktualisiert am
Bei der Themenwahl war die Redaktion von Frank Plasberg diesmal besonders ungeduldig Bild: WDR/Klaus Görgen
Frank Plasberg fragte in seiner ersten Sendung nach der Weihnachtspause: „Wann werden wir endlich regiert?“ Was ihm nicht aufgefallen ist? Seit sieben Tagen.
Wahrscheinlich hat sie noch niemand vermisst. Oder sie ist in der Berichterstattung über zwei Skiunfälle, einen homosexuellen Fußballer und einen zukünftigen Vorstand der Deutschen Bahn verloren gegangen. Die Regierungserklärung der am 17. Dezember vergangenen Jahres wiedergewählten Bundeskanzlerin. Früher, es ist noch gar nicht solange her, zuletzt am 10. November 2009, wurden darin die Ideen und Leitlinien einer neuen Regierung vorgestellt. Zugleich bekam die Opposition erstmals die Gelegenheit, die Planungen einer neuen Regierung zu kritisieren. Mehr war auch nicht ernsthaft zu erwarten: Es war ja noch gar nicht regiert worden.
Selbst die rot-grüne Koalition von 1998 oder die schwarz-gelbe Variante von 2009 ließen sich nämlich für ihre berühmten „handwerklichen Fehler“ mehr Zeit als die 28 Tage seit der Wiederwahl Frau Merkels. Darin sind übrigens noch die Weihnachtsfeiertage plus Ferien eingerechnet.
Wie kann jemand ernsthaft eine Regierung beurteilen, die gerade einmal sieben Tage handeln konnte? Und wo die Regierungschefin bisher noch keinen einzigen Satz über die zukünftigen vier Jahre formulieren durfte, außer einige dürre Bemerkungen zur Europapolitik am 18. Dezember vergangenen Jahres?
"Fehlstart" nach nur sieben Tagen
Ganz sicher war dieser Sachverhalt keinem Redakteur von „Hart, aber fair“ aufgefallen, als sie ihre erste Sendung nach der Weihnachtspause planten. Oder vielleicht sind sie auch der Meinung, auf einen ersten Satz der Kanzlerin wie auf jeden weiteren verzichten zu können, weil dort an inhaltlichen Aussagen nichts zu erwarten wäre. Das mag alles richtig sein, nur erklärt das trotzdem nicht den Titel der Sendung: „Die Große Krach-Koalition - wann werden wir endlich regiert?“
Frank Plasberg meinte sogar von einem Fehlstart sprechen zu müssen, der den der Vorgängerregierung noch überträfe. Der ehemalige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender artikulierte seine „Enttäuschung“ über die Koalition. Wohlgemerkt nach sieben Tagen, wo etwa der Vizekanzler von der SPD gerade einmal seinen Terminkalender in der Causa „Papa holt die Tochter aus der Kita ab“ regeln konnte. Übrigens immer Mittwochs.
Nun wissen wir nicht, wie Brenders Gemütsverfassung aussehen sollte, wenn der Vizekanzler in seiner Funktion als Bundeswirtschaftsminister in den kommenden acht Tagen keinen Masterplan zur Energiewende vorlegen sollte. Lag es dann am Mittwoch? Wohl nicht. Vielmehr fürchtet Brender die Debatte innerhalb der neuen Bundesregierung über die zukünftige Politik. Die Parteien wollten sich damit lediglich inhaltlich profilieren. Nun war allerdings bisher der ernsthafteste Einwand gegen die Bildung der Großen Koalition das befürchtete Ausbleiben jeder Diskussion. Alles werde in Zukunft in den informellen Gremien der Koalitionsparteien entschieden. Was in diesem „Küchenkabinett“ vorgegeben werde, würde man anschließend mit überwältigender Mehrheit durch Bundestag und Bundesrat bringen. Einspruch zwecklos. Ob nun von einer parlamentarischen oder außerparlamentarischen Opposition.