TV-Kritik: Hart aber fair : Darf man über die Masernimpfung überhaupt diskutieren?
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Frank Plasberg diskutierte mit seinen Gästen über Impfgegner und Wunderheiler. Bild: WDR/Klaus Görgen
Frank Plasberg rührte in seiner Sendung so einiges zusammen: Masernimpfung, Homöopathie und dubiose Heiler. Über die Impfung zu debattieren, hätte aber eigentlich schon den Abend gefüllt. Nur: Gibt man so nicht den Impfgegnern ein Forum?
„Kann man eigentlich noch über die Masernimpfung diskutieren?“, fragte Frank Plasberg gleich in den ersten Sekunden seiner Sendung am Montagabend. Mehr als 800 Infektionen gebe es schließlich in Berlin, die Viren werden zudem inzwischen zunehmend exportiert in andere deutsche Städte. An einer Waldorfschule in Erfurt kam es beispielsweise zu einem größeren Ausbruch, weil nur 55 Prozent der Schüler geimpft waren. Also: Muss man eigentlich rigoros die Impfpflicht verlangen - oder kann man noch diskutieren, über die Masernimpfung, ihren Sinn, mögliche Risiken und die irrationalen Ängste der Impfgegner?
Die Antwort lautet: Man kann. Genau 35 Minuten lang, mit drei Ärzten, einer Heilpraktikerin und einer Wettermoderatorin. Und dann kann man diese Diskussion, die zwar viele Fragen kompetent beantwortet hat, aber auch viele neue hat hinzukommen lassen, mal eben schnell kappen und sich darauf besinnen, wie der Titel der Sendung eigentlich lautet. „Von Impfgegnern bis zu Geistheilern - alles nur Aberglaube?“ nämlich, und deshalb musste nach einer guten halben Stunde Streit am Tresen über die Verantwortungslosigkeit nicht-impfender Eltern dann der schnelle Schwenk zu den Geistheilern sein.
Die Geschichte mit den Masern und der Impfskepsis sei schließlich nur eine besonders „gravierende Facette einer Diskussion um Misstrauen“, sagte Plasberg kurz nach 21:30 Uhr in die Kamera, um schnell zu einem Einspieler überzuwechseln: Ärzte, erfuhr man hier, nehmen sich im Schnitt nur acht Minuten Zeit pro Patient. Und es dauert gerade mal zwanzig Sekunden, bis der Mediziner den Kranken bei dessen Schilderung der Symptome abwürgt und selbst zu sprechen beginnt. Herausgefunden haben das Wissenschaftler vom Uniklinikum Düsseldorf, und die „Hart aber fair“-Redakteure nehmen diese Enthüllung als Ausgangspunkt einer Spurensuche, die zu der Erkenntnis führen soll, warum Menschen auf dubiose Versprechen selbsternannter Geist- oder Quantenheiler vertrauen - statt auf die Schulmedizin.
Endlich wird klar, warum die Wettermoderatorin Claudia Kleinert auf dem Podium sitzt: Nicht etwa wegen ihrer - offenbar gut durchgeimpften - Patenkinder, die zuvor einige Male in der Maserndiskussion erwähnt wurden. Nein, sie ist „Homöopathie-Fan“, wie nun eingeblendet wird, sobald sie eine Wortmeldung abgibt. Mit den richtigen Globuli sind ihre Halsschmerzen schon nach wenigen Tagen verschwunden - ohne wächst sich das Ganze mitunter zu einer richtigen Mandelentzündung aus.
Leichtgläubige Patienten
Das Team von „Hart aber fair“ hatte sich am Montagabend zwei wichtige Themen vorgenommen: die Impfmüdigkeit der Deutschen, die dazu führt, dass der derzeitige Masernausbruch in Berlin einfach nicht unter Kontrolle zu bekommen ist. Und die Leichtgläubigkeit vieler verzweifelter Patienten, gerade schwer Erkrankter, die reelle Chancen auf Heilung oder Besserung zugunsten abstruser, nutzloser Privatbehandlungen bei selbst ernannten Heilern aufgeben. Beide Themenblöcke haben ihre Berechtigung, sprengten aber den Rahmen der gut einstündigen Talkshow.