TV-Kritik: Anne Will : Deutschlands neue Einheitspartei
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Anne Will in ihrer Sendung vom Sonntag Bild: NDR/Wolfgang Borrs
Das gab es auch noch nicht: Eine CDU-Vize-Chefin deklariert bei Anne Will den Sieg anderer Parteien als Erfolg für die Union. Die etablierten Parteien der Bundesrepublik werden zunehmend zu einer Einheit – und werden den Wählern immer fremder.
Ein Ziel hat die deutsche Politik erreicht. Die AfD hat in den Landtagswahlen gestern Abend in allen drei Bundesländern die absolute Mehrheit klar verfehlt. Daraus ergbt sich die spannende Frage, was diese politische Niederlage der AfD für die anderen Parteien bedeutet. Sie könnten das etwa als klare Zustimmung zu ihrem bisherigen Kurs bewerten. Gestern Abend machte die Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen deutlich, warum diese Logik keineswegs so absurd ist, wie sie dem unbefangenen Beobachter auf dem ersten Blick erscheint.
Denn achtzig Prozent der Wähler hätten bei den Landtagswahlen ihre Unterstützung für die „europäische Lösung“ der Bundeskanzlerin zum Ausdruck gebracht, so Frau von der Leyen. Zudem habe sich gezeigt, dass eine eindeutige Unterstützung der Bundeskanzlerin die Wahlerfolge von Winfried Kretschmann (Grüne) und Malu Dreyer (SPD) möglich gemacht hätten. Diese Sichtweise teilten Ralf Stegner (SPD) und Robert Habeck (Grüne).
Euer Sieg ist auch unserer Sieg
Man kann sich wirklich nicht an vergleichbare Diskussionen nach einer Wahl im Deutschland nach 1949 erinnern. Eine amtierende stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU deklariert die Wahlsiege zweier anderer Parteien als die ihrer Kanzlerin, und argumentiert damit in der Diktion einer Einheitspartei. Die katastrophalen Ergebnisse ihrer eigenen Landesparteien und ihrer Spitzenkandidaten lassen sie dagegen ungerührt. Sie verhöhnt sogar noch die Spitzenkandidatin in Mainz, indem sie Julia Klöckner für ihr Engagement lobte, die dortige CDU geeint zu haben. Deren Kollegen aus Stuttgart erwähnte sie wenigstens nicht, so blieb ihm solches Lob erspart. Frau von der Leyen interessiert es auch nicht, wenn man das CDU-Ergebnis in Rheinland-Pfalz zwar noch ein Desaster nennen kann, aber in Baden-Württemberg wohl von einer beispiellosen Katastrophe sprechen muss. Die Bundesverteidigungsministerin hat es auch sonst nicht mit Fakten. Die SPD ist in Mainz nämlich nur stolz darauf, ihr historisch schlechtes Wahlergebnis des Jahres 2011 gerade einmal gehalten zu haben. Das ist grandios zu nennen, wenn man die faktische Pulverisierung der SPD in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt so ignoriert wie Stegner. Dort ist die SPD jetzt auf Augenhöhe mit der FDP.
Die SPD vermochte in Baden-Württemberg ihr historisch schlechtestes Ergebnis von 2011 noch einmal zu halbieren. Vergleichbares ließe sich von den Linken sagen, die sich in Sachsen-Anhalt leider nur über ihren Erfolg über die marginalisierte SPD freuen dürfen. Im Westen ist die Partei irrelevant geworden.
Dafür konnten sich wenigstens bei Frau Will alle Vertreter der von Frau von der Leyen wahrscheinlich wieder einmal aus Versehen deklarierten virtuellen Einheitspartei über den Erfolg von Winfried Kretschmann freuen. Der ist zwar völlig anders als alle anderen Grünen, inklusive Habeck. Aber dieses für Grüne in der Bundespolitik peinliche Thema konnte gestern Abend zum Glück nicht mehr thematisiert werden.
Es waren schließlich alle mit Beatrix von Storch beschäftigt gewesen. Die stellvertretende Bundesvorsitzende der AfD war das Zentrum der Debatte. Die Vertreter der etablierten Parteien kreisten diskursiv unaufhörlich um sie herum. Sie benahmen sich wie Planeten im Verhältnis zur Sonne.
Dabei versuchte es Stegner mit allen Argumenten, die der SPD bei den Wahlen von gestern einen überragenden Wahlerfolg beschert hatten. Frau von der Leyen kam sogar auf die Idee, die AfD für die Verhältnisse an der griechisch-mazedonischen Grenze zu kritisieren. Dabei rührt die Bundesregierung keinen Finger, um die dort gestrandeten Flüchtlinge nach Deutschland zu holen. Diese Politik mag ja richtig sein, aber dann kann man sich wohl kaum gegenüber der AfD auf seine „humanitären Grundsätze“ berufen.