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Fernseh-Frühkritik „Beckmann“ : Der Feind steht rechts

  • -Aktualisiert am

Kind von „guten Nazis“: Hardy Krüger arbeitet gegen das Vergessen Bild: dpa

Die Erfahrungen der Erlebnisgeneration sind so einzigartig, wie schrecklich. Aber welche Bedeutung haben sie noch beim Kampf gegen die heutigen Rechtsextremisten?

          4 Min.

          „Meine Eltern waren Nazis, aber nicht böse. Sie waren verblendet.“ „Alle Nazis waren böse. Punkt.“ Diese Sätze markieren nicht nur die Sendung von Reinhold Beckmann gestern Abend. Sie stehen zugleich für die Nachkriegsgeschichte Deutschlands, die offenkundig immer noch ohne die Vorgeschichte des Krieges und der Nazi-Diktatur nicht zu denken ist.

          Den ersten Satz formulierte der Schauspieler Hardy Krüger (85). Den anderen die Journalistin und Autorin Inge Deutschkron (91). Beide muss man nicht mehr vorstellen. Sie haben auf ihre Art die Bundesrepublik bis heute mitgeprägt, so unterschiedlich ihre Lebenswege auch gewesen sind. Bei Beckmann wurde aber deutlich, warum man bei ihnen von der Erlebnisgeneration spricht. Ihre Schicksale sind ohne die Zeit bis 1945 nicht zu denken.

          Da ist der Junge aus einem überzeugten Nazi-Elternhaus, der auf eine Nazi-Eliteschule geht und zugleich in seiner kurzen Zeit bei der Berliner UFA von einem älteren Kollegen, Hans Söhnker, vom verbrecherischen Charakter der Diktatur überzeugt wird. Auf der anderen Seite die junge Frau Deutschkron, die wie ihre Zeitgenossen Hans Rosenthal und Gerhard Löwenthal in Berlin als Jüdin überleben konnte. Es betraf wenige Jahre und prägte doch ein ganzes Leben.

          Hitler-Büste auf dem Klavier

          Das ist in dieser Form für die Nachgeborenen nicht mehr nachvollziehbar. Es gibt zwar persönliche Schicksalsschläge, aber keine politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse, die sprichwörtlich alles überschatten. Wenn Krüger und Deutschkron ihr Verhältnis zu den Eltern beschreiben, so wird deutlich, dass diese Beziehung ohne diese Erfahrungen nicht zu denken ist. Ob es nun die Loyalität von Krüger zum Elternhaus betrifft oder Frau Deutschkrons Beziehung zu einem Vater, der den Krieg in England erlebte.

          Mit dieser Gewalterfahrung von Diktatur und Krieg wird alles Persönliche politisch aufgeladen. Man kann eben nicht einfach von dieser Erfahrung politisch abstrahieren. Wenn in Krügers Elternhaus die Hitler-Büste auf dem Klavier steht, er sie aber gleichzeitig als liebevoll in Erinnerung behalten hat, kann er sie nicht einfach als „böse Nazis“ klassifizieren. Nun wurde nicht jeder Nazi zum Verbrecher. Nur haben eben die meisten Deutschen etwa bei den Deportationen weggesehen, und später behauptet, „nichts gewusst zu haben“.

          Da wird es Frau Deutschkron wenig genutzt haben, wenn diese Deutschen gute Eltern waren. Obwohl sie gleichzeitig nur durch die Hilfe von Freunden und Bekannten in Berlin überleben konnte. Beckmann nannte sein Thema: Der lange Schatten der Vergangenheit. Er wollte mit seinen Gästen den historischen Bogen von der Nazizeit bis zu den Morden der NSU und dem heutigen Rechtsextremismus spannen. Dort, so die Idee, findet man jenes Serum gegen die Infektion mit einer gefährlichen Ideologie.

          Wenn die Debatte nicht völlig sinnlos werden soll

          Bisweilen war allerdings die historische Aufarbeitung wenig geglückt. Etwa wenn Krüger mit dem Journalisten Patrick Gensing die Frage diskutierte, warum es in Deutschland keine mit Frankreich oder Polen vergleichbare Widerstandsbewegung gegeben hatte. Die Wehrmacht war dort als Besatzungsarmee einer feindlichen Macht einmarschiert. Es fehlte schlicht das Element der Fremdherrschaft für eine deutsche Résistance. Und wo die Wehrmacht sogar zuerst als Befreier empfunden wurde, wie in Kroatien, der Slowakei oder der Ukraine, fand sie durchaus zuverlässige Verbündete.

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