Historien-Serie „1864“ : An der Front gibt es keine Zinnsoldaten
- -Aktualisiert am
Laust (Jakob Oftebro) in „1864 - Liebe und Verrat in Zeiten des Krieges“ Bild: © Per Arnesen/ZDF
Das Schicksalsjahr der Dänen: 1864 kämpften sie um Schleswig, gegen Preußen und Habsburg. Der Feldzug war ein Fiasko. Die Serie „1864“ hält sich damit nicht lange auf. Ihr geht es um Liebe und Verrat.
Die Dänen, sagten die Deutschen früher, wenn sie den Kombi zwischen den Dünen parkten, haben ein unverkrampftes, ja ungebrochenes Verhältnis zu ihrer Nation. Und dann zeigten sie auf die flatternden Wimpel vor den Häusern, auf die Fähnchen in den Hotdogs und die vielen weißen Kreuze auf rotem Grund, mit denen der Tisch für einen dänischen Kindergeburtstag geschmückt war.
Darauf kommt man heute nicht mehr so leicht. Das liegt am nationalistischen Klima, das sich unter dem früheren Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen ausgebreitet hat und mit der Rückkehr der Sozialdemokraten an die Macht nicht verschwunden ist. Die Fahnen sind weiterhin da. Von einem unverkrampften Verhältnis zur Nation aber kann keine Rede sein. Es wird heftig gestritten, was ein Land ausmacht und ausmachen soll.
Von der Rahmenhandlung ins 19. Jahrhundert
Diese Verkrampfung merkt man der dänischen Fernsehserie „1864“ an, die mehr als zwanzig Millionen Euro gekostet hat und in acht Folgen vom Krieg um Schleswig erzählt. „1864“ ist partout darauf aus, der atmosphärisch gestörten Gegenwart einen Spiegel vorzuhalten, und dieser angestrengte Versuch tut dem von Regisseur Hans Ole Bornedal verfassten Drehbuch nicht immer gut. Aus Furcht vor Nostalgie und falschem Applaus trägt Bornedal zu dick auf - so nötig es sein mag, ein verklärtes Geschichtsbild zu brechen.
Zu diesem führt uns eine kleine, sehr konstruierte Rahmenhandlung: Bei einem Schulausflug zur Düppeler Mühle stiehlt sich ein kiffendes Mädchen davon, dessen Bruder im Afghanistan-Krieg ums Leben kam. Von dem Nationalsymbol, das heute ein Museum beherbergt, geht es ins Dänemark des 19. Jahrhunderts, das sich für Gottes auserwähltes Volk hält: Die Lehrer schwärmen mit durchgestrecktem Rücken von der Fahne, die aus dem Himmel fiel. Die Männer kehren 1851 siegreich aus Schleswig zurück. Die Söhne liegen masturbierend im Heu, sie können es nicht erwarten, die ganze Welt zu befruchten. Eine beispielhaft moderne Verfassung hat Dänemark auch - entworfen von einem Theologen namens Ditlev Gothard Monrad, der es zum Premier bringt.
Das „Unsere Mütter, unsere Väter“ der Dänen
Im aufgedunsenen Unsympathengesicht Monrads (Nicolas Bro) spiegelt sich der Wahnsinn, der in dem bäuerlich geprägten, hier und da mit etwas Bildungsbürgerprotz bewehrten Land um sich greift. Denn Monrad will mehr, ganz im Geiste der Zeit: eine Vereinigung Dänemarks mit Schleswig zum Beispiel. Das ist jenes Herzogtum zwischen Nord- und Ostsee, das in Personalunion mit der dänischen Krone verbunden ist, laut „Londoner Protokoll“ von 1852 aber nicht enger an Dänemark gebunden werden darf. Man spreche dort vorwiegend deutsch, erfahren die Kinder in der Schule. Und der Lehrer mit dem Rohrstock sagt, das ändere sich bald.
Mit der naiven Jugendperspektive beginnt „1864“. Wobei die Kinder Inge, Laust und Peter in Rekordzeit heranreifen, so dass das aufgeweckte Mädchen und die ungleichen Brüder, die sich 1851 begegnen, bei Kriegsausbruch als emotional verwirrte, neugierige junge Erwachsene vor uns stehen (Marie Tourell Søderberg, Jakob Oftebro, Jens Sætter-Lassen). So erscheint „1864“ als das „Unsere Mütter, unsere Väter“ der Dänen.
Zu starker Fokus auf Nebenaspekte
Ferner treten auf: ein gebrochener, zu Gewaltausbrüchen neigender Kriegsveteran (Pilou Asbæk), eine hurra-patriotisch gesinnte Schauspielerin (Sidse Babett Knudsen, die Ministerpräsidentin aus „Borgen“), ein überraschend charmanter Bismarck (Rainer Bock), dazu Moltke (Heikko Deutschmann), Preußens König und die englische Queen. Und Hans Christian Andersen, natürlich, der Märchendichter, der in dem Moment, in dem Monrad sein Ziel, die Kriegserklärung Preußens und Österreichs, erreicht hat, aus dem „Standhaften Zinnsoldaten“ vorliest: „Die Zinnsoldaten rasselten in der Schachtel, denn sie wollten mit dabei sein, aber sie konnten den Deckel nicht abheben.“ In einer vorhergehenden Szene haben wir Bismarck und Moltke auf dem Boden liegen und mit den Zinnsoldaten der Kinder spielen sehen.
Leider interessiert sich die Serie zu stark für Nebenaspekte - Liebesgeschichten; Soldaten, die außer Rand und Band geraten, oder für den Fremdenhass, der einer nach Norden gelangten Zigeunertruppe entgegenschlägt - und zu wenig für politische Hintergründe und Konstellationen des Jahres 1864. Den Charakter der Serie deutet der Untertitel an: „Liebe und Verrat in Zeiten des Krieges“. Bleiben die Schlachtszenen von „1864“. Doch auch die reißen es nicht heraus. Vom dänischen Fernsehen produzierte Serien wie „Kommissarin Lund“ und „Borgen“ waren von anderem Kaliber.