Christian Gerhaher im TV-Porträt : Der Bariton geht bügeln
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Don Juan als Schmerzensmann: Christian Gehaher als Mozarts „Don Giovanni“ in der Frankfurter Oper Bild: Monika Rittershaus
Christian Gerhaher im Kampf mit dem Lampenfieber oder entspannt beim Lesen im heimischen Garten: Eine unglaubliche Dokumentation über den scheu-zurückhaltenden Bariton gibt bewegende Einblicke.
Kurz vor dem Auftritt verlässt er sein Solistenzimmer und macht sich auf die Suche nach einem Bügelbrett. Das ist eines der Rituale, mit denen der Bariton Christian Gerhaher sein notorisches Lampenfieber bekämpft: Er bügelt seine Frackhemden noch schnell selbst. Dass er sich dabei und in noch ungleich intimeren Momenten, etwa beim Partiturstudium im Schatten der Freiheitsstatue, beim Proben oder beim Lesen im Garten, zugucken lässt von der Kamera, das hätte bisher niemand für möglich gehalten.
Dem Filmemacher Eckhart Querner ist es gelungen, diesen Ausnahmesänger, der so schonungslos mit seiner Nervosität und seinen Zweifeln an sich selbst hausieren geht, zu einem Porträtfilm zu überreden, der vielleicht gerade deshalb so herausragend gelingen konnte, weil Querner aus der Not eine Tugend macht: Er hat einfach in die Lücken hinein gefilmt, die Gerhaher, die Sphinx, ihm ließ. So sieht man ihn oftmals nur aus der Ferne, wie er gedankenvoll durch die Gegend latscht oder Treppen hinauf- oder hinuntergeht oder in Züge einsteigt.
Es sind aber auch genügend O-Töne zusammengekommen mit Seltenheitswert, die Licht ins Clair-obscure dieser unzeitgemäß romantischen Künstlernatur bringen. Da ist die kurze Ansage, das jugendfreche Grinsen, als Gerhaher das Publikum im Prinzregententheater auffordert, den Refrain des Schottischen Liedes mitzusingen. Und wirklich, sein Klavierbegleiter, Gerold Huber, singt aus vollem Halse mit. Oder da ist der kleine bayerische Bach, der im Hintergrund vor sich hin rieselt, auf dem ländlichen Anwesen der Gerhahers, während sein Landlord im Vordergrund mal wieder etwas Morbides philosophiert. Mal geht es um Heimat und Vergänglichkeit. Ein andermal um Abschied: „Die längste Zeit des Sängerlebens ist Verfall.“
Einspruch erfolgt durch die Wortmeldungen der Kollegen. Sie alle huldigen dem Augenblick. Sie alle, ausnahmslos, sind Fans von Gerhaher, dieser einzigartigen Stimme verfallen. Er sei, bekennt der Dirigent Daniel Harding, süchtig danach, so verrückt nach dieser einen Stimme wie die Wagnerianer nach dem kompletten Bayreuth. Und Jens Malte Fischer berichtet, unübertrefflich, vom Rätsel des „Fingerabdrucks der Seele auf den Stimmbändern“. Was damit gemeint ist? Einfach zuhören, wie Gerhaher singt. Dann erklärt sich das von selbst.