TV-Kritik: Hart aber fair : Das stählerne Ältestenwunder aus NRW
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Moderator Frank Plasberg sprach unter anderem mit Karl-Josef Laumann, Gesundheitsminister in NRW. Bild: ARD Das Erste/WDR/Stephan Pick/obs
Der eine kühl und präzise, der andere aufgescheucht-alarmistisch: Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann lässt Moderator Frank Plasberg in seiner eigenen Talkrunde als groben Klotz dastehen.
Warum Karl-Josef Laumann, den kühlen Herunterbrecher von Weltproblemen, erhitzt zum „Think big!“ anhalten? „Sie sind der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister. Wir senden aber in ganz Deutschland!“ Laumann parierte diese Frechheit des Moderators Frank Plasberg mit dem Hinweis: „Nehmen Sie die Nordrhein-Westfalen-Zahlen mal vier, dann sind Sie bei Deutschland!“ Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil, wo doch Laumann, diese Perle der Sendung, aus der Fülle des Besonderen schöpfte und damit wunderbar die sensationalistische Deutschland-Fixierung des Titels der „Hart aber fair“-Sendung am Montagabend unterlief: „Zu wenig, zu langsam, zu kompliziert – scheitert Deutschland am Impfen?“
Nein, Deutschland scheitert nicht am Impfen, erklärte Laumann (wie sollte ein solches Scheitern zu messen sein?) und zeigte am Beispiel seines Bundeslandes, warum die Dinge kompliziert sind. Was wiederum heißt, dass Umfänge und Geschwindigkeiten von Impfvorgängen je nach den aufgemachten Kontexten zu bewerten sind statt von absoluten, medial induzierten Plötzlichkeiten. Sie entziehen sich dann jedenfalls einer manichäischen Dynamik von Scheitern oder Nichtscheitern.
Schwankende öffentliche Befindlichkeit
In NRW habe man sich laut Laumann etwa entschieden, zunächst nur den halben Impfstoff zu verimpfen. Nur so habe sichergestellt werden können, dass für die zweite Impfung 21 Tage später der Impfstoff auch noch reiche. Wenn jetzt in anderen Bundesländern mehr Menschen auf einmal zum ersten Mal geimpft worden seien, „dann haben diese Länder keine oder weniger Rücklagen gebildet“, so Laumann, denn auch diese Länder hätten proportional nicht mehr Impfstoff zur Verfügung als NRW.
Laumann hat, so gibt er zu verstehen, ein Skript im Kopf, und das arbeitet er ab, möge es dabei auch ruckeln und zuckeln. Das Skript übernimmt er, was beispielsweise die Priorisierung der zu Impfenden angeht, dankbar vom Robert Koch-Institut (RKI). Dankbar, sagt Laumann, weil so nicht politisch oder nach schwankenden öffentlichen Befindlichkeiten entschieden werde, wer zuerst und zuletzt zu impfen sei. RKI sind denn auch die drei in Stein gemeißelten Buchstaben, die dieser Gesundheitsminister beinahe so häufig gebraucht wie NRW.
Militärische Rationalität mit Ernst Jüngerschem Ethos
Es ist sein mit juristischem Scharf- und Überblick verknüpfter Sinn für die Tücke des Details, der sich auch diesmal hochinformativ in ganz Deutschland versendete (Laumann ist derzeit ein impfmässiges Ältestenwunder in deutschen Talkshows). Dass die Düsseldorfer Kommandohöhe über Leben und Tod auch bei dieser Massenimpfung sich nicht von wechselnden Einzelerwartungen leiten lassen kann, sondern von gleichsam stählernen, für die besondere Lage erlassenen allgemeinen Vorschriften – solch eine militärische Rationalität verkörpert Laumann mit nachgerade Ernst Jüngerschem Ethos.
Soll Frank Plasberg diesen RKI-Exekutor doch bitte in jedem dritten Satz Nordrhein-Westfalen sagen lassen statt ihn rhetorisch auf Deutschland, Deutschland, Deutschland zu verpflichten. Oder hätte „Hart aber fair“, um Reichweite in Deutschland zu erzielen, gar das unendlich dahinschlängelnde Statement der Bundeskanzlerin senden wollen, das Angela Merkel in der Pressekonferenz gleich nach dem gestrigen Impfgipfel rausgehauen hat?