TV-Kritik: Anne Will : Das Ende der liberalen Weltordnung?
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TV-Moderatorin Anne Will im Gespräch mit ihren Gästen Bild: dpa
Das transatlantische Bündnis steckt nach der Amerika-Reise von Kanzlerin Merkel noch immer in der Krise. Anne Will fragt in ihrer Sendung, ob das wirklich nur an Donald Trump liegt.
Früher bekamen deutsche Bundeskanzler in den Vereinigten Staaten sogar Cowboyhüte geschenkt. Präsident Lyndon B. Johnson war schließlich Texaner. Und so durfte Bundeskanzler Ludwig Erhard bei seinem Amerikabesuch im Jahr 1963 einen solchen Hut mit nach Hause nehmen. Das Bild von „Erhard mit Cowboyhut“ ging damals durch die Medien. Solche symbolische Gesten gehörten schon immer zur Diplomatie. Sie dienen der politischen Klimaverbesserung, um bei der Klärung politischer Meinungsverschiedenheiten zu helfen. In der Amtszeit von Erhard ging es im deutsch-amerikanischen Verhältnis um drei Probleme. Die Deutschen wollten in den Nato-Strukturen ein Mitspracherecht beim Einsatz von Nuklearwaffen durchsetzen. Die Johnson-Administration forderte dagegen „eine faire Lastenverteilung“ bei den Verteidigungsausgaben. Es ging um das chronische Handelsbilanzdefizit mit dem „ökonomischen Riesen und politischen Zwerg“ Westdeutschland, so eine damals gebräuchliche Redewendung. Zudem war die deutsche Unterstützung für den Krieg in Vietnam ein wichtiges Thema für das Weiße Haus. Den Einsatz deutscher Truppen schloss Erhard allerdings kategorisch aus. Stattdessen schickte die Bundesregierung das Sanitätsschiff „Helgoland“ nach Südvietnam, verbunden mit weiteren Hilfen für die Regierung in Saigon.
Historische Tiefenschärfe
Einen solchen Hut bekamen in der vergangenen Woche weder Bundeskanzlerin Angela Merkel, noch Frankreich Staatspräsident Emmanuel Macron geschenkt. Diese Besuche nahm Anne Will zum Anlass, um über das transatlantische Verhältnis nachzudenken. Es ging nämlich zum Glück nicht nur um die im Titel angekündigte Frage, wer von den beiden europäischen Leitwölfen „mehr bei Trump erreicht habe“. Dass diese Sendung nicht nur in der Tagesaktualität versackte, war John Kornblum zu verdanken. Er brachte jene historische Tiefenschärfe in die Debatte, ohne die eine realistische deutsche und europäische Außenpolitik nicht formuliert werden kann. Kornblum widersprach nämlich jener gern gehörten These, die Donald Trump für eine historisch einzigartige Krise in den transatlantischen Beziehungen verantwortlich macht. So erinnerte der frühere amerikanische Botschafter in Deutschland an den demokratischen Senator Mike Mansfield. Dieser hatte im Jahr 1970 einen damals hoch umstrittenen Gesetzentwurf eingebracht. Er sah die Reduzierung der amerikanischen Truppen aus Europa vor, wenn sich die Europäer weiterhin einer gerechten Lastenverteilung im Bündnis entziehen sollten. Kornblum erinnerte zudem an andere amerikanische Präsidenten, die ebenfalls mit der Zollpolitik als Vehikel zur Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen Interessen hantierten.