TV-Kritik: Hart aber fair : Im deutschen Paralleluniversum
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Hart aber fair: Moderator Frank Plasberg Bild: dpa
Die Deutschen sehen sich gerne als Gralshüter außenpolitischer Vernunft. Doch wie weit kommt man damit in einem „Zeitalter brutaler Großmachtdiplomatie, gestützt auf militärische Macht“?
Sicherlich sind Talkshows keine außen- und sicherheitspolitischen Strategieseminare, um nüchtern über die politischen Optionen einer Mittelmacht zu diskutieren. Aber bisweilen geben sie einen Einblick in die Unfähigkeit, solche Optionen überhaupt noch zu denken. Insofern muss diese Sendung über „Trump und die Mullahs: Hat die Vernunft noch eine Chance?“ als gelungen betrachtet werden.
Was hierzulande unter Vernunft verstanden wird, scheint sich in eine Art Paralleluniversum abzuspielen. Oder glaubt jemand ernsthaft an die Möglichkeit, einen der einflussreichsten Repräsentanten des iranisch-islamistischen Expansionismus namens Qassem Soleimani festnehmen zu können, um ihn vor Gericht zu stellen? Diesen Vorschlag machte Jürgen Trittin. Natürlich glaubt der immer noch einflussreichste Außenpolitiker der Grünen selber nicht an die Bereitschaft Irans, einen ihrer Generäle auszuliefern. Aber dahinter steckt ein Verständnis von Außenpolitik, das Vernunft als die Formulierung wolkiger Phrasen definiert. In einem lichten Moment fand der Politikwissenschaftler Christian Hacke später eine passende Antwort zu solchen Ideen. Wir lebten in einem „Zeitalter brutaler Großmachtdiplomatie, gestützt auf militärische Macht.“
Zivilisationsbruch und ein Offenbarungseid
Bei uns gilt mittlerweile selbst diese schlichte Beschreibung von Fakten als Verstoß gegen die guten Sitten. So führte Norbert Röttgen wahre Eiertänze auf, um die Frage nach der völkerrechtlichen Legitimation dieses amerikanischen Angriffes nicht beantworten zu müssen. Der CDU-Außenpolitiker plädierte als Repräsentant der Bundesregierung für eine differenzierte Sichtweise. Die lässt sich vielleicht so zusammenfassen: Diese Tötung ist zwar irgendwie abzulehnen, wobei die Begründung für dieses Vorgehen trotzdem plausibel erscheint. Immerhin machte Röttgen deutlich, warum die völkerrechtlich definierten zwischenstaatlichen Beziehungen keineswegs mit einem innerstaatlichen Rechtsstaat zu verwechseln sind. Tatsächlich beruft sich jeder Staat im Konfliktfall auf das Selbstverteidigungsrecht gemäß Artikel 51 der UN-Charta. Der Krieg ist nämlich seit der Gründung der Vereinten Nationen kein akzeptiertes Mittel der Politik mehr.
Das hat Kriege zwar nicht verhindert, aber immerhin die bis 1945 obligatorische Kriegserklärung abgeschafft. Insofern hatte die Bemerkung Trittins über die zunehmende „Verwischung der Grenzen zwischen Krieg und Nicht-Krieg“ zwar eine gewisse Originalität. Nur gibt es das Phänomen seit Jahrzehnten, und nicht erst seit dem Angriff von Bagdad. Melinda Crane machte zudem auf die Praxis des Drohnenkrieges aufmerksam, die schon die beiden Vorgänger Donald Trumps in ihrer Amtszeit praktiziert hätten. Die für die Deutsche Welle arbeitende amerikanische Journalistin verfehlte aber den entscheidenden Unterschied: George Bush und Barack Obama begründeten das mit dem „Kampf gegen den Terrorismus“, somit gegen irreguläre militärische Einheiten. Hier stellte Trittin die richtige Frage, ob sich nämlich die Vereinigten Staaten jetzt „im Krieg mit Iran befinden.“ Die Tötung eines führenden Generals einer auswärtigen Macht ist zweifellos als Kriegshandlung zu werten.