TV-Kritik: „Hart aber fair“ : Sterben als gesellschaftlicher Bedarf
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So war es keine Überraschung, dass sich die Zuschauer in Deutschland und der Schweiz, die bei diesem interaktiven TV-Event um ihre Stimme gebeten wurden, mit Zweidrittelmehrheit zugunsten des Natrium-Pentobarbital für Gärtner aussprach. Ihm sollte der Freitod als assistierter Suizid möglich gemacht werden. Wohlgemerkt ging es nicht um den Fall eines schwerkranken Menschen mit geringer Lebenserwartung, der das Leben nur noch als das Warten auf den unvermeidlichen Tod verstehen kann. Es ging um einen Menschen, der seinen Lebensmut verloren hat. Der gleichzeitig die Forderung nach einem staatlich ermöglichten Freitod als Möglichkeit betrachtete, auf die unzulängliche Palliativmedizin beim Sterben seiner an einem Hirntumor erkrankten Frau aufmerksam zu machen.
Das Ende bleibt offen
Ob Gärtner am Ende den Giftcocktail einnehmen würde, blieb im Film ungeklärt. Niemand musste sich mit der Situation beschäftigen, wie trauernde Kinder, Enkel und Freunde von ihm zurückgelassen werden. Es passte nicht zur Dramaturgie eines Films, die den Tod als Akt der Selbstbestimmung vermitteln wollte. Einem klassischen Selbstmord wird diese Wertschätzung bis heute selten entgegengebracht, gilt er doch als Akt der Verzweiflung. Dabei kam bei Plasbergs Gast Olaf Sander die damit verbundene Ambivalenz zum Ausdruck. Seine Mutter hatte sich bewusst für ihren Freitod entschieden, der Sohn und ein Fernsehteam begleiteten sie bei diesem Schritt aus dem Leben. Aber Sander fürchtete die rechtlichen Konsequenzen seiner Mitwirkung, so dass er die sterbende Mutter in ihren letzten Minuten allein lassen musste. Sander schilderte anschaulich das Gefühl der Überforderung, als er sich mit dieser Entscheidung der Mutter auseinandersetzen musste.
Nur ist diese Form der Selbstbestimmung die Ausnahme. Das Sterben ist der Abschied von einem geliebten Menschen. Es ist ein Prozess des langsamen Verfalls der körperlichen Funktionen. Man muss den rasselnden Atem eines Sterbenden gehört haben, oder dessen bisweilen zu erlebenden Panikattacken. Jeder wünscht sich das Sterben im Kreise der Familie. Die Realität sieht anders aus, worauf Plasberg hinwies. Das Sterben ist externalisiert worden, ob in Krankenhäusern oder im Hospiz.
Hier sei eine persönliche Anmerkung gestattet: Meine Ehefrau meinte wenige Tage vor ihrem Tod zu Hause: „Du weißt nicht, wie das ist.“ Sie meinte das Sterben. Wenn sie die Möglichkeit zum assistierten Suizid gehabt hätte, wie hätte sie sich entschieden? Vielleicht hätte sie unserer Familie die Zumutung des Sterbens ersparen wollen. Aber wäre das wirklich jenes selbstbestimmte Sterben gewesen, von dem so oft die Rede war? Eher wohl die Rücksichtnahme auf die Ängste und Tabus von uns Überlebenden, die das Sterben und den Tod nur noch als lästige Begleiterscheinung eines möglichst sorglosen Lebens verstehen.
Schillernder Begriff der Selbstbestimmung
Daran kann auch die Palliativmedizin nichts ändern, auf deren Fortschritte Frau Johna mit guten Gründen hinwies. Der Schmerz ist nicht mehr ein unvermeidliches Schicksal, wie in früheren Jahren. Selbst der Freitod wird akzeptiert, weil das Recht auf selbstbestimmtes Sterben nicht von der Gesellschaft außer Kraft gesetzt werden kann. Deshalb war der versuchte Selbstmord allerdings auch noch nie eine strafbare Handlung. Der Film und die anschließende Diskussion vermieden es aber weitgehend jenen schillernden Begriff der Selbstbestimmung auszuleuchten, der uns heute so selbstverständlich erscheint.