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TV-Kritik „Hart aber fair“ : Sizilianische Verhältnisse in Deutschland?

  • -Aktualisiert am

Italienische Verhältnisse in Deutschland? Frank Plasberg und seine Gäste diskutieren über das kriminelle Netzwerk von Clans in Deutschland. Bild: © WDR/Dirk Borm

In seiner Talkrunde widmet sich Frank Plasberg kriminellen Clans in Deutschland. Viele wollen das heikle Thema ignorieren – doch das wäre fatal. Am Ende steht immerhin eine Erkenntnis.

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          Die Deutschen haben früher mit einer gewissen Verachtung auf Italien und deren Mafia geschaut. Dabei fanden sich dort die mutigsten Richter, Staatsanwälte und Polizisten. Viele von ihnen verloren im Kampf für den Rechtsstaat ihr Leben. Sie wurden Opfer einer Form organisierter Kriminalität, die sich in der italienischen Gesellschaft eingenistet hatte, um sie systematisch zu korrumpieren.

          Der im Jahr 2001 verstorbene Werner Raith gehörte zu den wenigen deutschen Journalisten, die das schon vor Jahrzehnten ohne die übliche deutsche Selbstgefälligkeit thematisierten. Dabei hatte er eine interessante Erklärung für die jahrzehntelange „strafrechtliche Folgenlosigkeit mafiosen Tuns.“ Laut Raith, eine Zeitlang auch Italien-Korrespondent der „taz“, „hätte sie sich nicht oder jedenfalls nicht im vorhandenen Maß entwickeln können, wenn nicht gleichzeitig in ganz Italien das vorhandene geistig-kulturelle Klima nahezu jede ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Phänomen der „onorata societa“ blockiert hätte.“

          Daran musste man denken, als es in der Sendung von Frank Plasberg um das „kriminelle Netz der Clans – sind Justiz und Polizei machtlos?“ ging. Welches geistig-kulturelle Klima bei uns dafür verantwortlich war, dass man jahrelang wegschaute, beschönigte und relativierte. Und zwar solange bis selbst die deutschen Polizeibehörden nicht mehr übersehen konnten, was unter unser aller Augen entstanden war: mafiöse Strukturen, die in den abgeschotteten Solidaritätsbeziehungen migrantischer Clans entstanden sind.

          „Gescheiterte Integration“

          In einer Reportage von Olaf Sundermeyer im Ersten bekamen die Zuschauer vor wenigen Wochen einen ernüchternden Einblick in die Funktionsweise dieser kriminellen Netzwerke. Es ging um arabisch-libanesischen Familienclans, die ab Mitte der 1970er Jahre als libanesische Bürgerkriegsflüchtlinge zumeist über die damalige DDR eingereist waren. Sundermeyer sprach bei Plasberg von „gescheiterter Integration.“

          Tatsächlich haben manche Mitglieder dieser Familien längst die deutsche Staatsbürgerschaft, trotzdem definieren sie sich nicht als Teil dieser Gesellschaft. Sie bilden eine Parallelgesellschaft, so Sundermeyer, deren Loyalität ausschließlich dem eigenen Clan gilt. Ehrbarkeit orientiert sich nicht an den Gesetzen dieses Staates, sondern dem Nutzen für die Clans. Das schließt jede kriminelle Aktivität ein, die deren Macht erweitert. Sundermeyer beschrieb diese Mentalität anschaulich. Dort würden „kriminelle Handlungen geduldet“ und eine „große schweigende Mehrheit“ akzeptierte das und trüge das mit.

          Verachtung für diese Gesellschaft

          Das schloss bisher die Verachtung für diese Gesellschaft ein. Oder wie soll man das sonst bewerten, wenn in Berlin die Bezieher von Grundsicherungsleistungen als Käufer von Eigentumswohnungen auftreten, oder in Duisburg mit italienischen Luxus-Sportwagen vor dem Sozialamt vorfahren? Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) machte allerdings den Wandel im „geistig-kulturellen Klima“ deutlich. Polizei und Justiz sind nicht mehr bereit, dieser fortgesetzten Unterminierung des Rechtsstaates teilnahmslos zuzusehen. Es ist ein Problembewusstsein über die Schattenseiten unserer Einwanderungsgesellschaft entstanden.

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