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TV-Kritik „Dunja Hayali“ : Politischer Offenbarungseid

  • -Aktualisiert am

Die aktuelle Sendung von „Dunya Hayali“ mit dem Gast Robert Habeck sorgte schon vor Ausstrahlung für Diskussionsstoff. Bild: Jule Loehr / ZDF

Bei Dunja Hayali durfte sich Robert Habeck seinen Kritikern stellen. Für den Zuschauer war das eine informative Sendung. Wurde doch aus einem potentiellen Staatsmann ein überforderter Parteipolitiker.

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          Schon vor dieser Sendung hagelte es Kritik. Schließlich hatte Dunja Hayali mit Robert Habeck und der in der Flüchtlingshilfe als Kapitänin aktiven Carola Rackete zwei Protagonisten aus dem politischen Kosmos des links-ökologischen Lagers eingeladen. Angesichts dessen erwarteten diese Kritiker ein Lehrstück für betreuten Journalismus. Mithin eine Wahlwerbesendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zugunsten der Grünen, und das wenige Wochen vor den bevorstehenden Landtagswahlen mit dem anschließend wohl unvermeidlichen Kollaps der Bundesregierung.

          Eine solche Konstellation bietet für einen potentiellen Bundeskanzler eine einzigartige Möglichkeit zur Profilierung. Als die Moderatorin dieses Thema einer Kanzlerschaft in einem Nebensatz ansprach, wollte der Parteivorsitzende der Grünen davon nichts wissen. Im Vorwahlkampf für den Bundestag stört das nur in der Imagebildung, worauf Frau Hayali diese Anmerkung sogleich als Scherz deklarierte. Aber natürlich ging es um nichts anderes. Dafür gibt es sogar eine journalistische Begründung: Die Grünen sind in allen Umfragen auf Augenhöhe mit der Union und damit zu einer ernsthaften Konkurrenz im Kampf um das Kanzleramt geworden. So kann sich hier ein Kandidat als Staatsmann präsentieren, der mit Ernsthaftigkeit und Kompetenz das Staatsschiff in die Zukunft zu steuern gedenkt.

          Wer eine Geschichte nie zu Ende erzählt

          Wenigstens in der Theorie. In der Praxis sieht das schon anders aus. Habituell gab sich Habeck keine Blöße, er zeigte sich den anderen Gästen zugewandt und vermochte so die nötige Ernsthaftigkeit auszustrahlen. Diese ließen sich davon aber nicht beeindrucken, schließlich ging es um zentrale Themen in der Klimapolitik. Da muss man schon mehr bieten als den schönen Schein, den Habeck stilsicher im strahlend weißen Oberhemd verkörperte. Bei der Auswahl ihrer Gäste bewies Frau Hayali eine glückliche Hand, und zeigte damit zugleich, worum es in einem solchen Gesprächsformat geht. Gerade nicht um die Profilierung einer journalistischen Selbstdarstellerin im Talkshow-Zirkus, sondern um die Herstellung gelungener Gesprächssituationen. Erst sie ermöglichten es den Zuschauern, sich über den Parteivorsitzenden der Grünen ein Urteil zu bilden. Deshalb war es sinnvoll, Habeck einmal nicht mit der politischen Konkurrenz zu konfrontieren. Dort wäre es lediglich zum obligatorischen Schlagabtausch über lange bekannte Positionen gekommen. Für einen Berufspolitiker mit den rhetorischen Fähigkeiten eines Habeck ist das eine der leichteren Übungen. Das war hier anders: Bei Raoul Hille als Geschäftsführer des Flughafen Hannover, Melanie Zirzow als Personalreferentin in der ostdeutschen Braunkohleindustrie und dem Landwirt Thorsten Riggert reichte nicht mehr die bisher übliche Rhetorik. Hier musste Habeck konkret werden, was im Ergebnis allerdings zu seinem politischen Offenbarungseid wurde.

          Dabei ging es keineswegs um die inhaltlichen Defizite bei einzelnen Sachverhalten, wie sie etwa in der Kontroverse mit Riggert über die Freilandhaltung in der Schweinezucht deutlich wurden. Oder Habecks Flucht in die wolkige Rhetorik, als Hille ihm die praktische Sinnlosigkeit seiner Ideen zur Reduzierung des innerdeutschen Flugverkehrs aufzeigte. Das alles brachte Riggert in einem Satz gut auf den Punkt: Die Grünen erzählten „eine Geschichte leider nie zu Ende.“ Kurioserweise machte er das als Landwirt an der Verkehrspolitik deutlich. So forderten die Grünen den Ausbau des Schienenverkehrs, um aber vor Ort jeden Streckenausbau zu blockieren. Auf solche Einwände und Kritikpunkte hätte ein routinierter Politiker eigentlich kompetent reagieren müssen. Schließlich gehören solche Widersprüche zum politischen Kerngeschäft. Das war gestern Abend aber nicht der Fall, und das hatte seinen Grund in der Wahlkampfstrategie der Grünen. Die funktionierte bisher zweigleisig: Auf der einen Seite machen die Netzwerke der Grünen seit Monaten eine Klima-Kampagne namens „Fridays for future“ mit dem bekannten Hang zur Dramatik. Wenn wir jetzt nichts tun, ist alles zu spät. Panik ist das Schlüsselwort der aus Schweden stammenden Galionsfigur. Auf der anderen Seite koppelt sich Habeck davon geschickt ab. Er inszeniert sich längst als grüne Angela Merkel mit überparteilicher Attitüde. Wenn andere im Panikmodus jeden Tag eine neue klimapolitische Sau durch das Dorf treiben, relativiert er deren Aussagen. Fordern andere eine Mehrwertsteuererhöhung für Fleisch, warnt er lieber vor solchen isolierten Maßnahmen. Er will als Sachwalter klimapolitischer Vernunft mit dem berühmten Augenmaß wahrgenommen werden. So soll Habeck die Wählerschichten ansprechen, die eines bestimmt nicht wollen: Einen Kanzler mit der Mentalität eines in Panik geratenen Teenagers.

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