TV-Kritik „Die Lichtenbergs“ : Kleine Geschenke sind aller Laster Anfang
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Doppelbödig: Axel Prahl Bild: ZDF/BRITTA KREHL
Der eine ist Politiker, der andere Taxifahrer. Im Scheitern sind die Brüder Lichtenberg unschlagbar. Das ZDF zeigt Axel Prahl in einer Verwechslungskomödie im Geiste Shakespeares.
Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Und nicht nur diese. Je kleiner die Gabe, desto größer unter Umständen die Wirkung. Von seinem Schwiegervater bekommt Christian Lichtenberg zum Geburtstag einen sündhaft teuren Rotwein geschenkt. „Junge Frauen und alter Wein“, sagt der alte Theo Zeisig (Manfred Zapatka), grinst und ruft den Rest der Belegschaft gleich zur Ordnung: Ein Glas Sekt, das reicht. An die Arbeit, Leute, das Land muss schließlich regiert werden. Und nicht vergessen: Es ist Wahlkampf.
Wir befinden uns im Büro des Bundestagsabgeordneten Christian Lichtenberg (Axel Prahl). Dessen nächstes Präsent ist ganz klein und fein, ein Zettel nur, mit einer Hotelzimmernummer. Nanni Niedermeier (Christina Hecke), ihres Zeichens Lobbyistin der Telekommunikationsindustrie, wünscht alles Gute zum Geburtstag. Und lässt bitten.
Doppeltes Unheil
Dass er auf dieses Angebot besser nicht eingegangen wäre, ist dem Abgeordneten bald nach dem Auspacken klar. Sein Handy bleibt nämlich auf Empfang, die Nummer seines zwölfjährigen Sohnes ist eingewählt, und der reicht das Telefon an seine Mutter weiter, weil ihm die zu vernehmende Geräuschkulisse etwas unheimlich ist. Was macht Lichtenberg jetzt bloß mit dem Gesetzentwurf, den die Lobbyistin und sein Schwiegervater in den Bundestag eingebracht sehen wollen? Eine Journalistin, die einen Skandal wittert, hat Lichtenberg schon an den Hacken.
Sein Zwillingsbruder Jochen dürfte ihm da wohl nicht weiterhelfen können. Der fährt gerade das väterliche Taxiunternehmen an die Wand: Spielschulden, ein Geldeintreiber im Genick, Angestellte, die ihn betrügen. Und dann erzählt Jochen der Sozialarbeiterin Chantal (Anja Kling) auch noch, er könne das vor der Pleite stehende Jugendzentrum, in dem sie arbeitet, retten. Unfromme Lügen bei den Lichtenbergs hüben wie drüben. Im nächsten Augenblick quartiert Christian sich bei seinem Bruder Jochen ein und kassiert für diesen erst einmal Prügel. Die beiden gleichen einander nicht nur äußerlich wie ein Ei dem anderen. Sie ziehen Probleme an und wissen sich kaum zu helfen.
Eine Verwechslungskomödie, eine Doppelrolle, ein Schauspieler, der, wenn er nicht den einen Zwilling gibt, gerade der andere und also fast immer im Bild ist und vom Schnitt doppelt in selbiges expediert wird - das könnte großartig scheitern. Was Shakespeare sein und nach „Was ihr wollt“ aussehen soll, wird schnell schrill oder flach. Tür auf, Tür zu. Pointe rein, Witz, komm raus. In diesem Film ist das alles genau so - nur viel besser. Mit den Klischees, um die es zwangsläufig geht, wird im Wortsinne gespielt: Da haben wir den Politiker, der im Berliner Regierungsviertel unterwegs ist, und den Taxifahrer aus Moabit, jeweils mit den passenden Lebenswelten, bevölkert mit dem zu erwartenden Personal. Doch das wird von der Regie (Matthias Tiefenbacher), in den Dialogen (Buch Gernot Gricksch) und vor allem von den Schauspielern wunderbar getragen.
Wer behält den Überblick?
Axel Prahl gibt zu Protokoll, er habe zwischendurch selbst nicht immer gewusst, ober er gerade Christian oder Jochen spielte und ob die in diesem Augenblick sie selbst waren oder sich als der jeweils andere ausgaben. Diese Verwirrung ist ausgesprochen produktiv. Man denkt nämlich die ganze Zeit, man habe es nicht mit einem Schauspieler in zwei Rollen, sondern mit zwei Figuren und zwei Personen zu tun. Anja Kling als Sozialarbeiterin mit Aggressionsproblem und Susanna Simon als Christian Lichtenbergs betrogene Ehefrau beherrschen ihr Fach ebenso, und auch die Besetzung der kleineren Rollen ist keine „Neben“-Besetzung, mit Manfred Zapatka als durchtriebenem Politprofi, Christina Hecke als versierter Intrigantin, Armin Rohde als verschrobenem Halbwelt-Wettkönig (der von sich in der dritten Person spricht) und Tanja Wedhorn als ehrgeiziger Reporterin, die hinter der großen Story her ist. Die Kamera von Holly Fink fängt das so geschickt ein - gerade in den Szenen mit Axel Prahl als doppeltem Lichtenberg -, dass man die Ausrede „ist ja nur Fernsehen und muss deshalb nicht so perfekt sein wie Kino“ nicht zu bemühen braucht. Der Regisseur Tiefenbacher und Fink haben viel Mühe darauf verwendet, dass die Komödie auch in dieser Hinsicht gut aussieht.
So blamieren sich die beiden Lichtenbergs nach Strich und Faden, vor allem, wenn der eine sich als der andere geriert. Christians besten Wahlkampfauftritt hat Jochen, als er vor laufenden Kameras das Programm seiner Partei zusammenfasst: „Familie, Frauen, Kinder, Natur, Tiere und das ganze Trallala, Sie wissen schon - das ist uns sehr wichtig.“ Wer hier wer ist, das halten nur die Frauen auseinander. Allein darauf kommt es für Christian und Jochen Lichtenberg am Ende selbstverständlich auch an. Das Wahlergebnis steht dann auf einem anderen Blatt.