Tim Mälzer im Praxistest : Kochkunst gibt's nicht
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„Vielleicht auch einfach, weil ich ein Proll bin”: Tim Mälzer Bild: picture-alliance/ dpa/dpaweb
Er betreibt das Gruppenkochen als soziales Faulenzen. Verlierer dabei sind die Zuschauer, die das Kochen verlernen, ohne es zuvor gelernt zu haben. Was den Fernsehkoch Tim Mälzer so erfolgreich macht.
In einem Gespräch mit der „Rheinischen Post“ stellte Tim Mälzer kürzlich Vermutungen darüber an, warum seine Fernsehauftritte so beliebt sind: „Vielleicht auch einfach, weil ich ein Proll bin“, hieß es da klarer, als man es selbst zu formulieren wagte. Wäre also auch der Meister des scheinbar übersichtlichen Schnellkochens einer jener Menschen, die an der Dekultivierung des Abendlandes arbeiten, an einer Diktatur des Prolletariats?
Man würde Mälzer Myriaden von Ungenauigkeiten und etliche Lieblingswörter („schweinelecker“) verzeihen, wenn er dabei hülfe, die kulinarischen Prolls aufzuhalten. Das Zeug dazu hätte er: Seine Popularität ist groß. Für Mälzers Kochvorführungen im Hamburger Congreßcentrum gab es sogar einen Ticket-Schwarzmarkt. Mit dem Buch „Born to Cook 1“ (erschienen 2004) hat er die größte Auflage im titelreichen Kochbuchmarkt erzielt - etwa 800.000 Exemplare fanden bislang Käufer. Mälzer hat vor allem in der Mittelschicht Erfolg, also dort, wo man sonst auf Bildung achtet. Gibt es vielleicht Widersprüche zwischen Image und Realität?
Im Windschatten Jamie Olivers
Mälzer ist fünfunddreißig Jahre alt, hat Abitur und einen Architekten als Vater. Seine Kochlehre wurde 1994 gekrönt durch den Gewinn des Achenbach-Preises für Nachwuchsköche. In einigen interessanten Restaurants, vornehmlich in London („Ritz“, „Neal Street Restaurant“), hat er gearbeitet. Eines aber darf man nie vergessen: Das Phänomen Mälzer ist in erster Linie als Kopie des - noch jüngeren - britischen Kochstars Jamie Oliver entstanden, dessen vor zehn Jahren einsetzenden Erfolg Mälzer und die Verantwortlichen beim Fernsehsender Vox offensichtlich genau studiert haben. Seit Dezember 2003 gibt es bei Vox von Montag bis Freitag „Schmeckt nicht, gibt's nicht“, und es ist alles so gekommen, wie es kommen sollte.
Was immer das Original anstellte - Mälzer folgte ihm auf dem Fuße. Oliver kocht mit Gefangenen; Mälzer verkündet ähnliche Absichten. Oliver macht ein Restaurant zusammen mit arbeitslosen Laien von der Straße auf und daraus auch eine sehr erfolgreiche Fernsehsendung („Jamie's Kitchen“); Mälzer kommt mit dem gleichen Konzept in diesem Herbst auf den Sender. Mälzer kocht, gleichfalls wie Oliver, scheinbar recht einfach, mit viel Show-Gehabe und tüchtig „human touch“. Wie die meisten seiner Kollegen setzt er auf das Rezept „Einfach, aber genial“ und verkauft es einem Publikum, das in der Regel gar nicht weiß, was denn in der Küche als „genial“ gelten könnte.
Schwungvoll im Gewürzeinsatz
Über seine Kochleistungen und die Qualität der Rezepte muß man nicht viel sagen. Sie entsprechen mit allerlei mediterranen und asiatischen Elementen dem zeitgenössischen Mainstream. In seinem Restaurant „Weißes Haus“ in Hamburg ist das nicht anders als vor den Kameras; man neigt als Kritiker zu der - durchaus positiv gemeinten - Bewertung „eßbar“, von einigen Problemen beim schwungvollen Gewürzeinsatz einmal abgesehen (siehe auch: Tim Mälzers Restaurant: „Das Weiße Haus“ in Hamburg).