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Tatort-Sicherung : Wie lange speichert die Polizei Fingerabdrücke?

  • -Aktualisiert am

Sein Junggesellenabschied endete für Ivo Klein (Christoph Bertram) tödlich. Bild: WDR/Thomas Kost

Über den Mord beim Junggesellenabschied rätseln die Kölner Kommissare länger als der eilfertige Gerichtsmediziner. Unser Experte konnte über letzteren nur den Kopf schütteln.

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          Ivo Klein (Christoph Bertram) liegt tot auf der Straße. Auf dem Heimweg von seinem Junggesellenabschied in den frühen Morgenstunden ist er an einer Bushaltestelle auf eine Sporttasche mit viel Geld gestoßen. Er nimmt sie mit – kurz darauf wird er von einem silbernen Kleinwagen überrollt, wie Zeugen berichten.

          Fingerabdrücke auf Geld und Tasche führen die Ermittler Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) im „Tatort: Familien“ zum renommierten Kölner Wirtschaftsanwalt Rainer Bertram (Hansjürgen Hürrig). Seine Enkelin wurde entführt, das Geld für den Entführer deponiert.

          Um seine Forderung zu untermauern, wird der Familie ein abgetrennter Finger in einer Box geschickt und auch der Mord an dem glücklosen Bräutigam wird schonungslos gezeigt. Wir haben ganz genau hingeschaut – und einige Fehler entdeckt.

          ***

          Rechtsmediziner Dr. Roth: „Der endgültige DNA-Vergleich läuft noch, aber schon nach dem Schnelltest handelt es sich um einen Finger des Entführungsopfers. Den Proportionen nach um den linken Zeigefinger. Parallel verlaufende Schnittflächen, von oben nach unten, eine Gartenschere oder sowas. Schau dir mal die Schnittränder an. Keine frischen Ausblutungen, keine retrahierten Gefäße. Als man ihr den Finger abgeschnitten hat, hat sie davon nichts gespürt. Weil sie zu dem Zeitpunkt schon tot war.“ (Minute 64)

          Frage 1: Der Familie eines Entführungsopfers wird ein abgetrennter Finger zugesandt. Ein vorläufiger DNA-Test mit Genmaterial aus der Haarbürste der jungen Frau bringt rasch Gewissheit: Es ist ihr Finger. Und wenn der vorläufige Test versagt?

          Charlotte Ritter (Anke Sabrina Beermann) wurde entführt. Ihr Freund Kasper (Anton von Lucke) und ihr Bruder Paul (Johannes Franke) waren die letzten, die sie in einer Bar gesehen haben.
          Charlotte Ritter (Anke Sabrina Beermann) wurde entführt. Ihr Freund Kasper (Anton von Lucke) und ihr Bruder Paul (Johannes Franke) waren die letzten, die sie in einer Bar gesehen haben. : Bild: WDR/Thomas Kost

          Antwort von Prof. Dr. Markus Rothschild (Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Uniklinik Köln)::

          So etwas wie einen vorläufigen DNA-Schnelltest gibt es nicht. Bei Fällen solcher Dringlichkeit, und das ist bei einer Entführung ja der Fall, wenn man um das Leben des Opfers fürchten muss und der Täter eine gewisse Brutalität und Entschlossenheit durch einen abgetrennten Finger unter Beweis gestellt hat, dann wird die Rechtsmedizin die Abstammung in ganz kurzer Zeit überprüfen, und zwar eindeutig, das ist dann kein vorläufiges Ergebnis, sondern ein endgültiges. In dem geschilderten Fall ist es sowieso besonders einfach. Sie müssen keine Abstammungsbegutachtung machen, also Genmaterial von nahen Familienangehörigen mit dem vergleichen, das sie von dem Finger nehmen konnten, sondern können dank der Haare einen 1-zu-1-Vergleich vornehmen. Natürlich können wir auch feststellen, welcher Finger abgetrennt wurde. Allerdings ist die Begründung, die hier genannt wird, Quatsch. Wir beurteilen das nicht nach den Proportionen, sondern aufgrund der Knochenform. Entweder kann ich diese durch Röntgenbilder oder eine Computertomographie beurteilen oder durch Mazeration, also durch Entfernen des Weichteilgewebes, genau erkennen.

          ***

          Frage 2: Der Entführten wurde der Finger mit einer Gartenschere abgetrennt – dabei sei sie allerdings schon tot gewesen, sagt der Rechtsmediziner. Ist seine Begründung schlüssig?

          Die Familie bangt noch um das Leben von Charlotte. Doch sie ist bereits tot.
          Die Familie bangt noch um das Leben von Charlotte. Doch sie ist bereits tot. : Bild: WDR/Thomas Kost

          Antwort von Prof. Dr. Markus Rothschild:

          In dem geschilderten Fall scheint es so zu sein, dass der Rechtsmediziner sich die Schnittkanten der Haut angesehen und daraus seine Schlüsse gezogen hat. Mit was für einem Werkzeug eine Gliedmaße abgetrennt wurde erkenne ich allerdings an der Form der Abtrennungsebene am Knochen. Dort sehe ich, ob hier Sägespuren zu finden sind, Kneif- oder Beißspuren einer Zange, Schnittspuren oder ein gerader Axthieb. Bei den geschilderten geraden Schnittkanten käme eine gute Gartenschere als Werkzeug durchaus in Frage. Dass die junge Frau bereits tot war, als ihr der Finger abgetrennt wurde, weil daran keine Einblutungen zu sehen sind, kann man ebenfalls so stehen lassen. Die Argumentation mit den retrahierten Gefäßen ist allerdings Unsinn. Unterschiedliche Gewebe in unserem Körper haben eine unterschiedliche Elastizität. Kleine Blutgefäße oder Nerven sind relativ elastisch. Werden sie durchgeschnitten, ziehen sie sich zusammen und verkürzen sich, das ist mit „retrahieren“ gemeint. Aber wenn sie einer Leiche einen Arm abschneiden, passiert das gleiche. Es ist also kein Merkmal dafür, ob der Finger vital oder postmortal abgetrennt wurde.

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