FAZ.NET-Tatortsicherung : Keine Angst vor wüsten Prinzen
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Sieht aus wie der junge Omar Sharif: Yasin el Harrouk geht als Prinz Nasir in die Vollen Bild: BR/Heike Ulrich/Claussen+Wöbke+Putz
Im neuen „Tatort“ aus München führen sich arabische Diplomaten auf wie die Axt im Wald. Die Kommissare dürfen ihnen beim Koksen und Rumballern nur zugucken. Eine echte Gesetzeslücke? Der Sonntagskrimi im Realitätstest.
In Zeiten, in denen die Scharia-Polizei in deutschen Fußgängerzonen für Unwohlsein sorgt, tut es der weiße Lamborghini eines arabischen Diplomaten, der mit 180 Stundenkilometern durch München fährt und sich an keines der Gesetze seines Gastlandes hält, in besonderer Weise. Dieser Prinz Nasir aus dem Phantasieland Kumar schnupft öffentlich Kokain, macht Schießübungen, wo es ihm gerade passt, und behandelt seine Angestellten wie Sklaven. Alles ungestraft. Die volle Palette der Schreckensberichte aus der Diplomatenwelt tischt uns der neue „Tatort“ aus München auf.

Redakteur im Feuilleton.
Ein wichtiges Detail aber ignorieren Polizei und Staatsanwaltschaft im Film: Die Isar-Metropole ist nicht Berlin und ein Konsularbeamter kein „unverletzlicher“ Diplomat. Der Prinz, seines Zeichens Wirtschaftsattaché, gehört zum Konsulat, nicht zu der Botschaft Kumars. Und das ist nur eines der Details, die den (Nicht-)Ermittlungen Batics und Leitmayrs in der Realität einen völlig anderen Dreh verleihen würden.
„Tatort: Der Wüstensohn“ in der Mediathek des Ersten
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Frage 1: Darf sich ein Konsularbeamter (im Film: Prinz Nasir) wirklich alles herausnehmen?
Staatsanwältin Berger: Der junge Mann hinterm Steuer ist der Sohn des Emirs von Kumar, Wirtschaftsattaché, der genießt den vollen diplomatischen Schutz.
Leitmayr: Na, das wird ein Spaß. Keine Festnahmen, keine Untersuchungen, gar nichts.
Antwort (mit freundlicher Unterstützung des Auswärtigen Amts):
Konsularbeamte genießen keine mit Diplomaten vergleichbare Immunität. Sie genießen lediglich eine sogenannte Amtshandlungsimmunität in Wahrnehmung ihrer konsularischen, dienstlichen Aufgaben. Das ist in Artikel 43, Absatz 1 des Wiener Übereinkommens über Konsularische Beziehungen (WüK) geregelt.
Für alles andere, was sie privat tun, gilt Artikel 41. Der besagt: „Konsularbeamte unterliegen keiner Festnahme oder Untersuchungshaft, es sei denn wegen einer schweren strafbaren Handlung und auf Grund einer Entscheidung der zuständigen Justizbehörde.“ In Absatz 3 heißt es weiter: „Wird gegen einen Konsularbeamten ein Strafverfahren eingeleitet, so hat er vor den zuständigen Behörden zu erscheinen. [...] Ist es unter den in Absatz 1 genannten Umständen notwendig geworden, einen Konsularbeamten in Untersuchungshaft zu nehmen, so ist das Verfahren gegen ihn in kürzester Frist einzuleiten.“
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Frage 2: Worin unterscheidet sich der diplomatische Schutz bei Botschaftern und Konsuln?
Antwort:
Diplomaten, Botschafter, sind unverletzlich. Es gilt der Artikel 29 des Wiener Übereinkommens für diplomatische Beziehungen (WüD). Bei Diplomaten wird nicht danach unterschieden, ob sie sich privat oder dienstlich bewegen. Sie genießen volle Immunität vor der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaats, sie müssen auch nicht als Zeugen aussagen. Weiter ist eine Diplomatenwohnung gemäß Artikel 30 des WüD unverletzlich – die Wohnung des Konsularbeamten aber nicht. Auch Fahrzeuge von Diplomaten sind unverletzlich – Konsularbeamte können dies aber nur geltend machen, wenn es sich um eine Dienstfahrt handelt.
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Frage 3: Dürfte man einen Botschafter nicht einmal bei Mordverdacht verhören?
Antwort:
Bei Diplomaten, die Immunität genießen, sind Ermittlungen zulässig, so lange sie diese nicht in ihrer Unverletzlichkeit beeinträchtigen. Ein Diplomat dürfte nur dann verhört werden, wenn er das freiwillig zulässt. Zwangsmaßnahmen würden gegen das Gesandtschaftsrecht verstoßen.
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Frage 4: Gibt es Grenzen der Immunität bei Botschaftern? Welche Handhabe hat ein Gastland gegen straffällig werdende Diplomaten?
Antwort: