„Tatort“ aus dem Saarland : Der Feind in meinem Computer
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Einsen und Nullen auf die Hand tätowiert: Die Hackerin Natascha (Julia Koschitz). Bild: SR/Manuela Meyer
Im saarländischen „Tatort“ geht es ums Digitale, und Kommissar Stellbrink muss einen „Mord ex Machina“ aufklären. Das macht er in aller Gemütsruhe. Gehackt wird er peinlicherweise trotzdem.
In Minute einunddreißig fällt der Satz, auf den wir von Beginn an gewartet haben: „Diese Scheißcomputer“, brüllt Jens Stellbrink, der Kommissar der alten Schule, der stets auf seinem betagten Motorrad am Tatort anlangt und dort die seit jeher üblichen Fragen stellt („Also doch kein Unfall?“) und Anweisungen aus dem Lehrbuch gibt („Alles einpacken“). Doch so ganz von gestern ist er selbstverständlich nicht. Im Internet ist er auf einer Dating-Seite unter dem Pseudonym „Johnny Guitar“ auf der Suche nach der passenden Mitspielerin. Mit einer solchen bekommt er es auch zu tun, allerdings zunächst als Gegenspielerin. Die Hackerin Natascha (Julia Koschitz), des Mordes an Sebastian Feuerbach (Nikolai Kinski), Justitiar der Datenfirma Conpact, durchaus hochverdächtig, will ein Spielchen mit dem Kommissar treiben. Der lässt sich selbstgewiss darauf ein. Dass im Nu sein Handy und sein Computer gehackt werden und Natascha bald mehr über ihn weiß, als ihm lieb sein kann, versteht sich von selbst.
„Das ist das Schöne an der digitalen Welt: Es geht nichts wirklich verloren“, sagt Victor Rousseau (Steve Windolf), der Chef der Datenfirma, die just in dem Augenblick gehackt wurde, in dem der Wagen seines Freundes und Kompagnons Feuerbach ferngesteuert Purzelbäume schlug. Er saß in einem Prototypen des vollvernetzten, autonom fahrenden Autos, an dem Conpact arbeitet, die Hackerin Natascha war beauftragt, das System mit den ihr eigenen Mitteln einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen. Ihr Mitverschwörer Marco Fichte (Anton Spieker) hatte die Firewall geknackt. Macht summa summarum drei Verdächtige, zwischen denen, wie Stellbrink und die ihm digital überlegene Kommissarsanwärterin Mia Emmrich (Sandra Maren Schneider) herausfinden, es auch mehr als eine Liaison gab. Natascha, Hackerin-Pseudonym „Jeanne“ – von Jeanne d’Arc –, erscheint als die Femme fatale in dieser Liebschaftsaufstellung. Doch könnte sie genauso gut Opfer wie Täterin sein.
So befasst sich nun also auch der saarländische „Tatort“ mit den vermeintlichen Segnungen des digitalen Zeitalters, die schon einige Krimis der Reihe problematisiert haben. Unter Experimentierverdacht gerät die Episode „Mord ex Machina“ freilich nicht, sie treibt es mit der Künstlichen Intelligenz bei weitem nicht so wie der bahnbrechende „Tatort: HAL“, den Niki Stein vor anderthalb Jahren für den Südwestrundfunk inszenierte.
Die Drehbuchautoren Hendrik Hölzemann und David Ungureit verstehen sich vielmehr auf das Konventionelle und das Naheliegende, das jedes Neufahrzeug heute in sich hat: auf die Warnung vor der totalen Überwachung, die im Namen der Verkehrssicherheit und der Bequemlichkeit daherkommt, aber selbstverständlich nur funktioniert, wenn die Nutzer alles preisgeben und sich, lämmergleich, wie bei Google und Facebook eingeübt, der Datenkrake ausliefern. Dann übernimmt die Maschine und wird der Mensch zum Objekt, frei zur Manipulation.
„Wünschen Sie pilotiertes Fahren?“, fragt der Autocomputer Sebastian Feuerbach vor dessen letzter Tour. „Ich wünsche, dass du die Fresse hältst“, brüllt dieser auf dem Fahrersitz und gibt ein letztes Mal selbst Gas.
Kommissar Stellbrink tuckert derweil durch Saarbrücken und über die französische Grenze, ins nahe Metz. Mit den Verdächtigen gehen die Zuschauer auf Sightseeingtour, zum Beispiel zum Saarpolygon auf der Halde Ensdorf, einem schicken Denkmal in Stahl, das an den vor mehr als fünf Jahren endgültig beendeten Steinkohlebergbau im Saarland erinnert. Hier hat alles Verweischarakter aufs Gestern, Heute und Morgen, leider nicht nur im Bild. Stellbrink und Natascha, die einander ein wenig näherkommen, als es die Dienstvorschriften erlauben, und auch die anderen sagen unter der Regie von Christian Theede immer wieder Sätze auf, die nichts als Nachhilfe in Sachen Digitalskeptizismus sind. Das ist alles recht bieder und ein wenig langweilig.
Die Kommissarsanwärterin Mia erklärt ihrem Chef eigens, wie das „Ocean-“ oder Fünf-Faktoren-Modell im Verbund mit Facebook-Likes funktioniert. Mit der Skala von fünf Grundeigenschaften (Aufgeschlossenheit, Gewissenhaftigkeit, Geselligkeit, Empathie, emotionale Stabilität) und siebzig Daumen rauf oder runter bei Facebook sei das Psychogramm eines jeden perfekt zu bestimmen. Bei dreihundert Likes wüssten die Datenfirmen mehr über einen als man selbst. Das glaube er nicht, sagt der Kommissar, den Devid Striesow zum vorletzten Mal so locker und solide wegspielt, wie man es ihm von Beginn an gewünscht hätte, da er doch ziemlich verstopft wirkte.
Am Ende wird Stellbrink eines Besseren belehrt sein, das Dating-Profil löschen und ein uraltes Handy aus der Schublade holen. Der Fall freilich wird dank der richtigen Daten zur richtigen Zeit gelöst. In der digitalen Welt geht schließlich nichts verloren. „Man muss nur wissen, wo man zu suchen hat“, weiß der Kommissar.