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Doku im Ersten abgesetzt : ARD kippt umstrittenen Film über Corona in China

In einem Krankenhaus in Wuhan: Szene aus der Dokumentation „Wuhan - Chronik eines Ausbruchs“. Bild: SWR/CICC

Der Südwestrundfunk zieht die Dokumentation „Wuhan – Chronik eines Ausbruchs“ aus dem ersten ARD-Programm zurück. Im Film wird Material der chinesischen Staatsfirma CICC verwendet. Abgesetzt wird das Stück wegen vermeintlicher Rechteprobleme. Das klingt fadenscheinig.

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          Der Südwestrundfunk wusste sich wohl nicht anders zu helfen. Nach massiver Kritik an der für Montagabend im Ersten geplanten Dokumentation „Wuhan – Chronik eines Ausbruchs“ hat der Sender entschieden, den Film nicht zu zeigen. „Bis zuletzt“, schreibt der SWR, habe man „gemeinsam mit der Produktionsfirma für die Realisierung dieses wichtigen Projekts gekämpft. Bei der intensiven redaktionellen und rechtlichen Prüfung“ sei es dem SWR wichtig gewesen, „dass der Film allen journalistischen und juristischen Ansprüchen genügt“.

          Michael Hanfeld
          verantwortlicher Redakteur für Feuilleton Online und „Medien“.

          Wie man „erst am gestrigen Sonntag erfahren“ habe, „kann die beauftragte Produktionsfirma nicht die erforderlichen Rechte am verwendeten Filmmaterial des China Intercontinental Communications Center (CICC) einräumen“. Damit fehle „eine Grundvoraussetzung für die beim SWR gültigen journalistischen Standards für das Verwenden von fremdem Rohmaterial“. Da eine „einvernehmliche und für den SWR akzeptable Rechteklärung zwischen dem Produzenten und CICC leider nicht erreichbar erscheint, plant der SWR derzeit keine Ausstrahlung“, heißt es in einer Mitteilung des Senders.

          Die Erklärung für den kurzfristigen Rückzug ist insofern erstaunlich, als beim SWR klar gewesen sein musste, mit welchem Bildmaterial der Film arbeitet. Das musste man nicht lange recherchieren und so tun, als lüfte man hier ein Geheimnis oder komme erst in letzter Sekunde darauf. Die Produktionsfirma „Gebrueder Beetz“ machte vielmehr von vornherein klar, dass sie mit Aufnahmen arbeitet, die vom China Intercontinental Communication Centre, das zum Informationsbüro des chinesischen Staatsrats gehört, stammen. Das erfuhr man bei den Produzenten vorab auf Anfrage und das wird im Film als Erklärung vorangestellt.

          Scheinbar perfekt funktionierendes Krisenmanagement

          67 Stunden Rohmaterial habe man gesichtet, heißt es in der Version von „Wuhan – Chronik eines Ausbruchs“, die Journalisten vorab zugänglich gemacht wurde, gleich zu Beginn. Immer wieder ist im Film davon die Rede, am Ende wird nochmals festgehalten, woher die Bilder kommen. Sie zeigen ausschließlich die zweite Phase der Corona-Pandemie in China, in der die Regierung zu drastischen Mitteln Griff und die Stadt Wuhan abriegelte.

          Das neu gebaute Huoshenshan Hospital in Wuhan - Aufnahme aus dem Film „Wuhan - Chronik eines Ausbruchs“.
          Das neu gebaute Huoshenshan Hospital in Wuhan - Aufnahme aus dem Film „Wuhan - Chronik eines Ausbruchs“. : Bild: SWR/CICC

          Die erste Phase der Ausbreitung des Virus, in der Informationen zurückgehalten und Hilferufe der Bevölkerung und von Medizinern ignoriert wurden, zeigt der Film nicht, er greift auch nicht auf journalistisch recherchierte Zeugnisse aus dieser Zeit zurück. Stattdessen sehen wir ein scheinbar perfekt funktionierendes Krisenmanagement und scheinbar dankbare und zufriedene Bürger, allerdings mit dem wiederholten Hinweis versehen, dass uns die Bilder auch genau dies weismachen sollen. Die Dramatik des Geschehens widerspiegeln sie nicht.

          Wer Augen und Ohren offen hält, bekommt aber schon mit, was uns da gezeigt wird und zu welchen Schlüssen die Lage in China hiesige Experten wie die Virologen Christian Drosten, Hendrick Streeck und Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, führte, die im Film zu hören sind.

          Fragwürdig ist bei alldem, dass die Produktionsfirma mit dem CICC auch einen Vertrag über eine „Beratung“ durch das CICC abgeschlossen hat. Worin diese „Beratung“ besteht, blieb bislang unklar. Den Film nun aufgrund vermeintlicher Rechteprobleme aus dem Programm zu nehmen, erscheint – fragwürdig.

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