„Germany’s Next Topmodel“ : Klums Kandidatinnen sind absolute Ausnahmen
- -Aktualisiert am
Wie dünn ist dünn genug? Die Sendung „Germany’s Next Topmodel“ wird immer wieder im Zusammenhang mit Essstörungen kritisiert. Bild: dpa
Maya Götz hat in einer Studie den Zusammenhang von Essstörungen und Fernsehsendungen wie „Germany’s Next Topmodel“ untersucht. Ein Gespräch über verzerrte Selbstwahrnehmung bei jungen Menschen – und mögliche Auswege.
Frau Götz, Sie haben untersucht, wie Sendungen wie „Germany’s Next Topmodel“ auf Menschen mit Essstörungen wirken. Dort müssen die jungen Kandidatinnen, um erfolgreich bei einem Casting oder einer „Challenge“ zu sein, ihre eigenen Wahrnehmungen und Empfindungen unterdrücken. Wie wirkt sich das aus?
Das Schönheitsideal, das „Germany’s Next Topmodel“ (GNTM) setzt, wird für die Mädchen zum Maßstab, den sie anzustreben versuchen, aber nie erreichen werden. Die Kandidatinnen sind absolute Ausnahmeerscheinungen in Bezug auf Körper und Gesichtsform, ähnlich wie Spitzensportlerinnen und -sportler. Wir wissen, dass wir nie so schnell laufen können wie Sprinter, die bei Olympia starten. Aber bei GNTM erscheinen die körperlichen Ausnahmeerscheinung – mit einem Mindestmaß von 1,72 m und maximal Kleidergröße 36 – als Normallfall und die Teilnehmerinnen wie „Mädchen von nebenan“. Dies führt zu Minderwertigkeitsgefühlen und dem Aufbau von Druck, der in eine Krankheit führen kann. Bei GNTM kommt nur diejenige weiter, die sich bedingungslos an die Anforderungen anderer anpasst und ihre eigenen Empfindungen unterdrückt. Dieses Grundprinzip ist sozusagen die Handlungsanleitung zum Krankwerden.
Pro7 weist die Vorwürfe zurück, GNTM stehe in Zusammenhang mit Magersucht und anderen Essstörungen. Übergewicht sei das größere Problem, wenn man die Gesamtbevölkerung betrachtet. Wie sehen Sie das?
Auch Übergewicht ist eines der gesundheitlichen Probleme in unserer Gesellschaft. 67 Prozent der erwachsenen Männer hierzulande sind übergewichtig, was ohne Frage gesundheitliche Probleme für den Einzelnen mit sich bringt und eine Belastung für das Gesundheitssystem ist. Männer über 18 Jahre sind aber nicht die Hauptzielgruppe der Sendung! Bei den sechs bis neunzehn Jahre alten Mädchen sind nur 13 Prozent übergewichtig, 78 Prozent liegen im Bereich der Normalgewichtigkeit. Essstörungen gehen im Übrigen nicht automatisch mit Untergewicht einher, gerade bei Bulimie oder Binge-Eating, Heißhungeranfällen ohne anschließendes Erbrechen, ist dies nicht der Fall. „Germany’s Next Topmodel“ befördert nicht Gewichtsreduktion, sondern verstärkt das überkritische Verhältnis zum eigenen Körper. Dies wiederum mindert das Selbstwertgefühl, fördert zum Beispiel Frustessen – und damit eventuell Binge-Eating – oder den Versuch einer Diät, der aber meist nicht zu einer dauerhaften Gewichtsreduktion führt. Es ist durchaus löblich, dass die Sendung – insbesondere in der aktuellen Staffel – das Thema „gesunde Ernährung“ erwähnt und Magersucht sowie Size Zero ablehnt. Das ändert aber wenig am Grundproblem.
Pro7 betont, dass es bei GNTM auch um gesunde Ernährung und Sport geht. Wie wurde dieser Aspekt von den Teilnehmerinnen ihrer Studie wahrgenommen?
Sie beobachten genau, was die Protagonistinnen essen und wie viel Sport sie treiben. Dabei nehmen sie eher wahr, wie viel weniger sich die Kandidatinnen scheinbar bemühen müssen, um trotzdem so schlank zu sein. Das fördert Minderwertigkeitskomplexe. Aus gesamtgesellschaftlicher Sicht ist es auch durchaus positiv, dass sich die Juroren einen Kuchen kommen lassen und Heidi Klum in einen Döner beißt. Sich auch mal etwas zu gönnen und genussvoll kalorienreichere Nahrung zu sich zu nehmen, ist wichtig und eine Frage der Lebensqualität. Für die jungen Frauen mit Essstörung waren diese Szenen allerdings eher wie ein Schlag ins Gesicht. Viele fanden es nicht glaubhaft, andere fühlten sich dadurch nur noch minderwertiger, weil Heidi Klum so etwas essen kann und trotzdem eine sehr schlanke Figur hat.