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Taylor Swift und die Folgen : Die Musikindustrie kommt ins Grübeln

Eine der bekannstesten Vertreterinnen der Streaming-Generation steigt bei Spotify aus Taylor Swift Bild: Reuters

Streaming-Dienste wie Spotify seien die Zukunft, hieß es lange. Aber Taylor Swift macht da nicht mit, Sven Regener, Farin Urlaub und Herbert Grönemeyer auch nicht mehr. Kippt die Stimmung?

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          Sven Regener möchte nicht die deutsche Taylor Swift sein und auch nicht ständig nur Wutreden auf die immer digitaler werdende Musikindustrie halten. Aber die Entscheidung der Singer-Songwriterin Taylor Swift, der erfolgreichsten Plattenverkäuferin der letzten beiden Jahrzehnte, ihre Songs nicht mehr beim weltgrößten Musikstreaming-Dienst anzubieten, macht es ihm schwer, sich zurückzuhalten.

          Uwe Ebbinghaus
          Redakteur im Feuilleton.

          Trotz ihres Ausstiegs bei Spotify hat die junge Frau mit ihrem neuen Album „1989“ in wenigen Tagen mehr als eine Million Platten verkauft und anschließend eine überfällige Debatte zum Thema Online-Musikhören befeuert. Im Interview mit Yahoo Music sagte sie: „Ich möchte mit meinem Lebenswerk nicht zu einem Experiment beitragen, das nach meinem Gefühl Autoren, Produzenten und Künstler nicht fair entschädigt.“ Und Sven Regener setzt mit der tiefen Stimme eines Hafenmeisters, der auf die Pirate Bays dieser Welt mit väterlicher Strenge blickt, noch einen drauf: „Der Sound bei Spotify ist schlecht, und niemand verdient daran: Das Unternehmen macht Verlust, und für die Künstler gibt es quasi nichts.“

          Vorteile für den Kunden

          Regener, Buchautor und Sänger der Kultband Element of Crime, die gerade mit „Lieblingsfarben und Tiere“ ein neues Album herausgebracht hat, erklärt im Gespräch mit dieser Zeitung die eigene Nichtbeteiligung an Spotify so: „Wir kamen zu dem Schluss, dass wir Streaming nicht gut finden. Wir möchten nicht eine neue Platte produzieren, die einfach so aus Zufall abgenudelt wird.“

          Der schlechteste Deal für junge Musiker: Sven Regener über Spotify
          Der schlechteste Deal für junge Musiker: Sven Regener über Spotify : Bild: dpa

          Auf den ersten Blick verspricht Musikstreaming, also das Abrufen von Musikdateien von großen Datenbanken im Internet, viele Vorteile, vor allem für den Kunden. Der Weltmarktführer Spotify zum Beispiel bietet, so Gründer Daniel Ek in einem Blogbeitrag, seinen fünfzig Millionen Kunden zwei Zugänge, um mehr als zwanzig Millionen Musiktitel anzuhören: ein mit Werbung finanziertes Gratiskonto, das von fast vierzig Millionen Hörern genutzt wird, und einen Premium-Zugang, für den man je Monat zehn Euro bezahlt und dafür von Einschränkungen und Werbeeinblendungen verschont bleibt.

          Spätberufene, die das Angebot zum ersten Mal ausprobieren, können ihr Glück kaum fassen: Plötzlich können sie, obwohl der Plattenspieler längst den Geist aufgegeben hat und die alten LPs und CDs verkratzt sind, nach Lust und Laune Lieder ihrer Jugend hören. Und zwar nicht einige, sondern fast alle, oft digital aufpoliert. Sie können Hörlücken schließen und sich bei neu entwickelten Musikvorlieben Playlists, also Titelzusammenstellungen von kundigen Enthusiasten, anhören. Wer exzessiv hört, den macht das Überangebot des Streaming-Diensts allerdings irgendwann ratlos. Und das Gefühl, von einer fragwürdigen Schnäppchenkultur zu profitieren, verlässt zumindest Hörer, die noch mit der Schallplatte sozialisiert wurden, die ganze Zeit über nicht.

          Finanzielle Probleme mit Spotify

          Es ist ja immer wieder eine feine Sache, für wenig Geld über das geistige Eigentum und die Kreativität anderer verfügen zu können, auch wenn man darüber streiten kann, ob das Streamen tatsächlich ein Verfügen ist. Andererseits scheint jungen Hörern, die ihre Musik vorwiegend über Smartphones, Laptops, Tablets oder PC mit sehr guten Kopfhörern konsumieren, subjektiv nichts zu fehlen. Die beste einstellbare Soundqualität für Premium-Nutzer kann zwar nicht mit Vinyl oder der CD mithalten, die Unterschiede sind aber nicht leicht zu hören. Und wer sie dennoch wahrnimmt, kann inzwischen auf Streaming-Dienste wie Wimp zurückgreifen, die sich auf verlustfrei gespeicherte Musikdaten spezialisiert haben.

          Spotify-Gründer Daniel Ek: Ohne Spotify würde die Piraterie regieren
          Spotify-Gründer Daniel Ek: Ohne Spotify würde die Piraterie regieren : Bild: AP

          Im Grunde scheint es nur eines zu geben, das den Ansprüchen von Spotify und vielen seiner Nutzer widerspricht: dass eben nicht alle bedeutenden Musiker mit von der Streaming-Partie sind, auch wenn es immer mehr werden und in letzter Zeit auch so bekannte Querköpfe und Klangpuristen wie Bob Dylan, Led Zeppelin oder Pink Floyd hinzugestoßen sind. Die Beatles aber sind nach wie vor nur in minimaler Auswahl abrufbar, AC/DC überhaupt nicht. Andere Künstler wie Van Morrison stellen zwar ihre alten, nicht aber ihre neuen Alben zur Verfügung. Bedrohlich aber wird es für Spotify erst, wenn aktuelle Stars wie Taylor Swift aussteigen. Dann nämlich fragen vor allem junge Hörer: Was bringt ein Streaming-Abo, wenn die aktuellen Hits nicht zu hören sind?

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