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„Spiegel“-Debatten : Je später der Abend

Mit seinem Wechsel zum „Spiegel“ waren nur wenige zufrieden: Nikolaus Blome, zuvor stellvertretender Chefredakteur der „Bild“-Zeitung. Bild: dpa

Der „Spiegel“ hat seine Linie für die Personalprobleme im Haus durchgesetzt, dafür stehen jetzt die Interessensvertreter der Mitarbeiter KG im Kreuzfeuer. Und eine App soll alle Printprobleme lösen: „Der Abend“.

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          Dass sich der Chefredakteur höchstselbst an die Leser wendet, hat es in dieser Weise beim „Spiegel“ noch nicht gegeben. Wenn schon die Bindung zwischen Chef und Redaktion gestört ist, dürfte sich Wolfgang Büchner gedacht haben, darf wenigstens die Leser-Blatt-Bindung nicht Schaden nehmen. Also erläutert er den „Spiegel“-Lesern, umrahmt von ein paar kritischen Zuschriften, in der jüngsten Ausgabe des Heftes, warum die Berufung von Nikolaus Blome zum Berlin-Chef des „Spiegel“ eine wichtige und die richtige Wahl ist: „Ich möchte Ihnen versichern, dass sich die journalistische Haltung des ,Spiegel’ nicht ändern wird“, nimmt Büchner etwaige Bedenken auf. Man stehe „den Mächtigen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft kritisch gegenüber“ und decke „Machtmissbrauch und Missmanagement“ auf.

          Michael Hanfeld
          verantwortlicher Redakteur für Feuilleton Online und „Medien“.

          Mit Blick auf Missmanagement durfte die Konkurrenz in den vergangenen Wochen ausführlich über den „Spiegel“ berichten, über den Aufstand, den es wegen der Personalie Blome gab und der nun vorbei ist. Vorbei in dem Sinne, dass die Redaktion des Magazins, die mit Mehrheit gegen Blome und das Vorgehen des Chefredakteurs Büchner opponiert hat, angeführt von den Ressortleitern, den Kürzeren gezogen hat. Blome kommt, und Büchner bleibt, und der Geschäftsführer Ove Saffe freut sich, und alles hat seine Ordnung, weil die Gesellschafter eingeweiht waren.

          Gespaltene Meinung im Print-„Spiegel“

          Eingeweiht waren also auch die beiden Redaktionsvertreter in der Geschäftsführung der Mitarbeiter KG, die mit ihren 760 sogenannten stillen Gesellschaftern und 50,5 Prozent der Anteile am Kapital Haupteigentümer des „Spiegel“ ist. Dass Marianne Wellershoff und Gunther Latsch früh im Bilde waren, soll ihnen nun zum Nachteil gereichen: 160 Redakteure haben ihre Namen auf eine Unterschriftenliste gesetzt und ihre Abwahl gefordert. „Wir können die von der Redaktion bestellten Geschäftsführer der Mitarbeiter KG (...) nicht mehr als unsere Interessenvertreter anerkennen. Wir entziehen ihnen deswegen unser Vertrauen.“

          Zu einer Abwahl könnte es auf der nächsten Versammlung der Mitarbeiter KG am 16. September kommen, doch brauchte man dafür eine Dreiviertelmehrheit aller KG-Stimmberechtigten. Die 160 Redakteursvoten reichen bei weitem nicht. Sie zeigen zudem, dass auch die Redaktion des gedruckten Magazins, die mehr als dreihundert Köpfe umfasst, gespalten ist.

          Die zweite Pointe in der Zeitungsdebatte

          Derweil erfährt die bei „Spiegel Online“ laufende „Zeitungsdebatte“, in der sich unter anderem einschlägig bekannte Pressehasser zu Wort melden und dem vermeintlich sterbenden Medium die letzte Messe singen, eine zweite erstaunliche Pointe. Die erste war, dass die Geschichte im gedruckten „Spiegel“, welche die Debatte eröffnete, ebenso wie die Online-Debatte so tat, als hätten die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Presse, als habe der digitale Wandel mit dem „Spiegel“ irgendwie nix zu tun. Nach dem Motto: Das sind die Probleme der anderen.

          Nun kommt als zweite Pointe hinzu, dass am Ende der Debatte eine App aus dem Hause „Spiegel“ steht - angeblich nur zu Demonstrationszwecken -, die den Zeitungen darlegt, wie man es angeblich besser macht. Mit einer digitalen Ausgabe am Abend nämlich, die den Wünschen der Nutzer folgt und nicht einfach eine E-Paper-Ausgabe des gedruckten Blattes ist. Das Ganze heißt entsprechend auch schlicht „Der Abend“. Man habe nicht vor, „ein reales Geschäftsmodell“ aufzusetzen, sagte der für die „Zeitungsdebatte“ und die daraus entwickelte App zuständige „Spiegel“-Redakteur Cordt Schnibben der Fachzeitschrift „Horizont“. So, so. Da schreibt der „Spiegel“ also erst die Zeitungen runter, lässt diverse Online-Onkels von der Leine und präsentiert dann die gemeinsam mit einer Agentur gebastelte Lösung. Journalismus 2.0 nennt man das wahrscheinlich. Oder 3.0. Oder: verdammt clever?

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