Sommerinterviews bei ARD/ZDF : Scheinriesen vor der Kamera
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Hat alles im Griff, zumindest das Glas Wasser: Horst Seehofer beim „Sommerinterview“. Bild: EPA
Die Sommerinterviews von ARD und ZDF sind in die Jahre gekommen. Aus dem Format ist eine Masche geworden. Sie geben sich zufrieden mit Politik-Ersatz. Das braucht niemand. Da kann man es auch gleich lassen.
Als Tina Hassel vor zwei Wochen auf der Terrasse des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses den AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen interviewte, rieb man sich die Augen. Was stimmte da nicht? Die Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios wirkte erstaunlich zahnlos. Etwas bemüht fragt sie Meuthen, ob er gerne nach Berlin komme, was dem politisch interessierten Publikum egal sein dürfte, denn der Hochschullehrer aus Kehl reist unentwegt zwischen Stuttgart, Straßburg, Berlin und sonstwo hin und her. Die Wahrnehmbarkeit des Mannes hängt nicht von seinen Reisen ab. Neben Alexander Gauland verleiht er der AfD einen bürgerlichen Anstrich. Der ist fadenscheinig geworden. Wenn es die Lage gebietet, beherrscht Meuthen auch das Format der Krawall-Prosa.
Dem italienischen Innenminister hat Meuthen dazu gratulieren lassen, dass er gedroht hatte, italienische Häfen für Einsatzschiffe der EU-Mission Sophia zu schließen. Meuthen ist für eine europäische Allianz mit der österreichischen FPÖ und der italienischen Lega Nord. Das Wort „Populistenallianz“ missfällt ihm. Die Initiative des amerikanischen Politikberaters Steven Bannon, mit einer europäischen Stiftung rechte Populisten in Europa zu fördern, findet er gut, die AfD sei aber auf Hilfe nicht angewiesen. Keine Nachfrage folgt zur künftigen parteinahen Stiftung und den für ihre Arbeit aus öffentlichen Mitteln abrufbaren Millionenbeträgen. Frau Hassels Vorhalt, ob Meuthen für eine Internationale der Nationalisten eintrete, läuft ins Leere. Fragen nach der Rentenpolitik der AfD weicht Meuthen aus, legt sich auf nichts fest. Vorhalte mit Zitaten seines Parteifreundes Höcke prallen an ihm ab. Höcke mache vorzügliche Politik in Thüringen. Keine weitere Frage dazu.
Illegale Spenden?
Auch misslingt Hassels Versuch, Meuthen mit einer Verbindung zum „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“ zu konfrontieren. Dieser Verein hat mit Millionenbeträgen Werbung für die AfD gemacht. Der Bundesvorstand der Partei hat eine Unterlassungserklärung gegen den Verein erwirkt, weil die Partei sonst in Verdacht geriete, gegen das Parteiengesetz zu verstoßen und mit Geldstrafen in dreifacher Höhe für illegal erachteter Spenden zu rechnen hätte.
Meuthen bestreitet persönliche Kontakte zu dem Verein, was tags darauf den „Spiegel“ dazu veranlasst zu fragen, ob er im Gespräch mit Frau Hassel gelogen habe. Dass in dem Netzwerk hinter diesem Verein ein persönlicher Freund Meuthens steckt, hat der Schatzmeister der Partei sogar im Rechenschaftsbericht der AfD mitgeteilt, was in der Drucksache 19/2300 des Deutschen Bundestags nachzulesen ist. Frau Hassel hat dieses Sommerinterview schlecht vorbereitet. Meuthen dürfte sich darüber gefreut haben.
Elfmetervorlagen im Rhetorik-Training
Gleich darauf sprach im ZDF Thomas Walde mit Christian Lindner auf der Dachterrasse des Dreischeibenhauses in Düsseldorf, eine mit Riesenaufwand sanierte Schmuckimmobilie der Landeshauptstadt. Zum Auftakt bezieht sich Walde auf die Abschiebung von Sami A., Lindner verteidigt den Standpunkt des Innenministers von NRW, alles sei rechtsstaatlich ordentlich gelaufen. Das dürfte ihm schärfste Kritik seines Parteifreundes Wolfgang Kubicki eintragen. Mehr als eisige Mimik hat Lindner dazu nicht anzubieten.
In der Migrationspolitik will Lindner vorübergehend an Dublin 3 festhalten. Wie er das schaffen will, Walde fragt nicht nach. Die Zerstrittenheit Europas - kein Thema für die beiden. Wie will Lindner in Osteuropa durchsetzen, dass keine Kontrollen an den innereuropäischen Grenzen stattfinden? Das Frage-Antwort-Spiel wirkt zu choreographiert. Lindner verwandelt jede Vorlage mit Schmackes. Nun kann man Thomas Walde gewiss nicht vorwerfen, er wolle das Sommerinterview das ZDF für Parteiwerbung missbrauchen. Er macht sich aber missbrauchbar.