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Digitalethik gegen Algorithmen : Was ARD und ZDF auf Facebook und Instagram treiben

  • Aktualisiert am

Den Regeln von Facebook sollte das journalistische Angebot der Öffentlich-Rechtlichen nicht folgen, meint die Studie der Otto-Brenner-Stiftung. Bild: AFP

Eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung warnt ARD, ZDF und Deutschlandradio davor, im Internet den Vorgaben der Social-Media-Konzerne zu gehorchen. Die Sender bräuchten eine „Digitalethik“. Wie sähe die aus?

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          Die gewerkschaftsnahe Otto-Brenner-Stiftung ruft die öffentlich-rechtlichen Sender auf, eine „Digitalethik“ für ihre Veröffentlichungen in den sozialen Medien zu entwickeln. Zwar sehe es der gesetzliche Auftrag vor, dass die öffentlich-rechtlichen Sender auch im Internet aktiv seien, um die Bevölkerung mit Informationen zu versorgen. Um große Reichweiten zu erzielen, orientierten sich ARD und ZDF aber auch an den Algorithmen der Plattformen und gefährdeten dadurch die Qualität ihrer Arbeit, erklärte die Stiftung. Dadurch werde die Unabhängigkeit ihrer Angebote infrage gestellt.

          Ihre Forderung untermauert die Stiftung mit einer Studie über „Journalismus in sozialen Netzwerken“, die die öffentlich-rechtlichen Angebote auf Facebook, Instagram, Twitter, Youtube, Spotify, Tiktok, Snapchat, Telegram und Pinterest sowie auf den Business-Kanälen LinkedIn und Xing untersucht. Erkennbar sei dabei eine „deutliche Orientierung an den Konventionen der Plattformen“ bei Formatentwicklung, Darstellungsweise und Inhalten. Damit begäben sich die Öffentlich-Rechtlichen in eine Abhängigkeit von den von den Konzernen entwickelten Algorithmen. Der Studie zufolge entstehe so ein „starkes Machtgefälle zwischen Konzernen und Sendern“.

          273 Formate auf Social Media

          Für die Untersuchung hat der Journalist Henning Eichler, der als Redakteur im Hessischen Rundfunk arbeitet und Lehrbeauftragter an den Hochschulen Darmstadt und Rhein-Main ist, 273 journalistische Formate von ARD, ZDF und Deutschlandradio in den sozialen Medien analysiert. Zudem befragte er 18 Personen aus Redaktionen und Management. Vor allem redaktionelle Mitarbeiter hätten ein Bedürfnis nach orientierenden Grundsätzen für die Arbeit in den Netzwerken, schreibt Eichler. Sie müssten täglich zwischen Plattform-Logik und journalistischen Qualitätsansprüchen abwägen. Reichweiten, Klicks und Likes seien fester Bestandteil des Redaktionsalltags und würden durchgängig als die „Währungen“ der sozialen Medien akzeptiert.

          Den Großteil der öffentlich-rechtlichen Angebote macht Eichler bei Facebook (194) und Instagram (165) aus, gefolgt von Twitter (131), Youtube (121) und Spotify (82). Neunzig Prozent der Formate seien für mehrere Netzwerke aufgesetzt, sodass eine Summe von insgesamt 751 öffentlich-rechtlichen journalistischen Einzelangeboten zustande komme.

          „Grundsätzlich“, so Eichler, „assimilieren sich die Redaktionen dadurch in Tonalität, Ästhetik und Präsentation der Inhalte also an bestehende reichweitenstarke Angebote, die auch aus dem nicht journalistischen Bereich stammen können.“ Inhaltliche Entscheidungen seien „ebenfalls an Reichweiten und algorithmischen Funktionen ausgerichtet“. So komme es vor, „dass manche Themen auf bestimmten Plattformen nicht mehr umgesetzt werden, weil sie in der Vergangenheit keine guten Kennzahlen erzielten“. In der „nachrichtlichen Aktualität und bei gesellschaftlich besonders relevanten Themen“ spiele „die Ausrichtung an Reichweiten keine Rolle“, betone die Mehrheit der von ihm Befragten. Hier würden „regelmäßig bewusst Themen umgesetzt, auch wenn sie keine Aussicht auf starke Verbreitung haben“. Manche Redaktionen machten „den Fortbestand bestimmter Angebote auch von deren quantitativer Entwicklung“ abhängig, andere nutzen diese „lediglich als orientierenden Abgleich. Bei „unangekündigten Änderungen der Algorithmen, in der Content Moderation der Plattformen und beim Löschen von Inhalten durch KI-gesteuerte Filter“ werde die Abhängigkeit von den Algorithmen besonders deutlich.

          Die Empfehlung von Henning Eichler lautet auf den Ausbau „alternativer, unabhängiger und nicht kommerzieller Plattformen mit ‚demokratiefreundlichem Design‘“. Dies sollten die Öffentlich-Rechtlichen „stärker in die Regulierungsvorhaben der Politik gegenüber den Plattformen einfließen lassen“.

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