Amazon-Serie „The Consultant“ : Der Teufel trägt Aktentasche
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Er bringt das Verderben: Christoph Waltz in der Amazon-Serie „The Consultant“. Bild: AP
In der Serie „The Consultant“ spielt Christoph Waltz einen maliziösen Berater, der Menschen einen faustischen Pakt anbietet. Wie das wohl ausgeht?
Wer ist Regus Patoff (Christoph Waltz)? Er ist der Retter maroder Unternehmen, die noch gar nichts von ihrer prekären Wirtschaftslage wussten. Er ist der Berater, der Ergebnisse erzielt („Er hat uns allen vor Augen geführt, wozu wir fähig sind“). Er ist der Aktentaschenträger, der seine Bleistifte auf den Millimeter genau ausrichtet, der Kladden benutzt, Papierlisten mit langen Zahlenkolonnen und eine mechanische Schreibmaschine bearbeitet, wie aus der digitaloptimierten Zeit gefallen. Er ist der Mann, der nicht zwinkert und sich bei Firmenlenkern mit stets denselben Worten vorstellt: „Ich bin von weit angereist, um Ihnen ein Geschenk anzubieten.“ Ein Danaergeschenk freilich. Um das Geschenk zu bekommen, müssen sie sich zuvor das Leben nehmen.
Lange grübeln muss man in der kleinen fiesen Bürohorrorserie „The Consultant“ nicht, wer dieser Regus Patoff ist und was er anzubieten hat. Seine Gabe ist jedenfalls so attraktiv, dass die Vorstandschefs das Angebot, sich umzubringen, annehmen und ihre eigene Ermordung gegen gewalttätigen Aufpreis akzeptieren. Die Natur des Geschenks, das für Gläubige beziehungsweise Bibelkundige so rätselhaft nicht ist, soll hier trotzdem verschwiegen werden, sonst ist ein Großteil des Witzes der Serie gleich weg.
The Devil in Disguise
Die übrigen Verweise auf die Identität und Mission des Regus Patoff (wie in „Reg. U.S. Pat. Off.“: Registered in the United States Patent and Trademark Office) sind ebenfalls deutlich. Elvis singt: „You’re the Devil in Disguise“. Patoffs Gegenspieler fragt den katholischen Priester einer Kirche in Los Angeles nach der Möglichkeit eines Exorzismus. Das Handyspiel, das durch Patoffs Machenschaften beim Gaming-Entwickler „CompWare“ vorzeitig mit schlimmen Bugs gelauncht wird, hat 316 Level bis zur Belohnung des „Game Over“ (man vergleiche Johannes 3 Vers 16).
Ob Regus Patoff allerdings der Teufel selbst, Mephisto, Antichrist oder ein gefallener Engel ist, wie im Netz spekuliert wird, ist eher unergiebig. Horrormäßig interessant sind stattdessen die sowohl im gleichnamigen Roman von Bentley Little als auch in der von Tony Basgallop eingerichteten und von Christoph Waltz mitproduzierten Amazon-Prime-Verfilmung ausgebreiteten unorthodoxen Methoden des Beraters aus der Hölle.
Patoff, so viel wird hier dem Spieleentwickler Craig (Nat Wolff) und Elaine (Brittany O’Grady), der Assistentin des in der ersten Folge von einem Schulkind erschossenen „CompWare“-Gründers Sang Woo (Brian Yoo), klar, kennt sich in der Gaming-Branche null aus, ist aber der manipulativste „People Manager“ seit Menschengedenken. Entsprechend Gestimmte könnten sagen: seit Jesus.
Loyalität heißt das Zauberwort. Die Überzeugungskraft dieses Beraters aber setzt nicht auf das Liebesgebot, sondern auf Angst und Gier. Aus „CompWare“, der schlurfig-gehypten Digitalbutze, in der Grasschwaden in der Luft hängen und das Silicon-Valley-Personal kommt und geht, wie es will, wird nach der Ermordung des Gründers und dem Auftritt des mit einem Teufelspakt – besser: Beratervertrag – versehenen Patoff ein Unternehmen, in dem die Skrupellosen Wahnsinnskarriere machen und die eigenständigen Köpfe bald um ihr Leben fürchten müssen. Und der Chef bereitet allen die Hölle im Büro.
Elaine wird befördert, Craig forscht Patoffs Wirken nach, entdeckt einen seltsamen Alchimisten, Zwangsamputierte, einen russischen Prothesenkonzern, der seinen Absatz in kurzer Zeit verdoppelt hat. und eine Robotikfirma, die Patoff ins Visier genommen hat. Im Grundsatz und in vielen Details macht die – meistens unblutige – Horrorgeschichte „The Consultant“ Spaß. Man kann sie auch ohne amoralischen Überbau als Satire auf „Optimierungsprozesse“ und Verdichtungsmaßnahmen in der modernen Arbeitswelt sehen. Christoph Waltz, der nicht nur die Hauptrolle spielt, sondern auch als „Executive Producer“ fungiert, gibt eine feine Vorstellung als mal süffisanter, mal perfider, mal amüsierter Kenner der niedrigen Instinkte karrieregepolter Zeitgenossen.
Leider hält die Serie nicht bis zum Schluss durch, was ihr auf Psychohorrorhochglanz polierter Beginn verspricht. Die letzte Folge wirkt vor allem wie die Vorbereitung einer möglichen zweiten Staffel. Was allerdings folgerichtig ist und selbstreferenziell funktioniert. Im Universum dieses teuflischen Beraters zählt bei der Produktion von Unterhaltungsartefakten (Games, Serien, Musik) unterm Strich der Hype, nicht die intrinsische Qualität. Quod erat demonstrandum.
The Consultant ist bei Amazon Prime Video abrufbar.