Spionageserie „Mirage“ im ZDF : Ist die Wüste der perfekte Ort für einen Neuanfang?
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Auf Claire Kohler (Marie-Josée Croze) wartet in Abu Dhabi so einiges. Bild: ZDF und Eric Vernazobres / FTV / Storia television
Die Spionageserie „Mirage“ ist eine große europäische Koproduktion. Das ZDF schmückt so seinen Sonntagabend – mit schönen Bildern aus der Wüste und internationaler Besetzung, aber etwas dünner Handlung.
Unverbrauchte Drehorte sind keine zwingende Voraussetzung für einen Serienhit. Im Falle der Spionageserie „Mirage“ aber – erstes Resultat einer 2018 geschlossenen Koproduktions-Allianz von ZDF, France Télévisions und Rai, die sich „European Alliance“ nennt (in diesem Fall aber ohne Italiener auskam; dafür waren kanadische Sender mit von der Partie) – ist die Kulisse die halbe Miete. Der Thriller spielt zwischen den spektakulären Hochhäusern, Luxushotels, Villen, Yachten und Wüstendünen von Abu Dhabi am Persischen Golf.
Sogar unter der futuristischen Kuppel des Louvre-Museums des Architekten Jean Nouvel durfte man einige kurze Dialogszenen drehen. Im streng regierten Emirat ist das keine Selbstverständlichkeit, so dass man die tourismusdienliche Optik, in die „Mirage“ zuweilen verfällt, wohl hinnehmen muss. Wenn man Stories wie diese, die sich um das verwundbare IT-System eines neuartigen Thorium-Reaktors dreht, nicht in einer regengrauen europäischen Stadt erzählt bekommen will.
Hauptfigur der Serie ist die bereits zweimal vom Schicksal durchgeschüttelte IT-Expertin Claire Kohler (sieht beinahe aus wie Claire Danes in „Homeland“: Marie-Josée Croze). Die brave Karrierefrau war für die französische Nuklearfirma Hexatom tätig, aber das ist lang her. Nun zieht sie nach Abu Dhabi, um dort für eine lokale Firma als Sicherheitsfachfrau zu wirken. Claires treuherziger Ehemann Lukas (Hannes Jaenicke) will parallel Investoren für eine Restauranteröffnung gewinnen, Sohnemann Zack (Thomas Chomel) wird auf die französische Schule geschickt.
Keine Zeit für Freudentränen
Es ist, glaubt die Familie, der „perfekte Ort, um neu anzufangen“. Aber da täuschen sich die Kohlers gewaltig. Schon kurz nach ihrer Ankunft holt Claire in drei Schritten die Vergangenheit ein. Am Flughafen ist die Werbung für ein neues Projekt von Hexatom in der Wüste zu sehen, ihr neuer Arbeitgeber spornt Claire mit dem Hinweis, dass sie ja vor einigen Jahren für den Unfall eines Hexatom-Forschungsreaktors in Kasachstan verantwortlich gemacht wurde, zur Arbeit bis zum Umfallen an.
Und dann meint Claire am Rande eines Restaurantbesuchs auch noch ihren ersten Mann Gabriel (Clive Standen) zu erkennen. Er verschwand 2004, als das Paar Bilderbuch-Urlaub in Thailand machte und der Tsunami das Hotel überrollte. War es Gabriel? Sie macht sich sofort auf die Suche, und da die Expats von Abu Dhabi dank ständiger Parties gut vernetzt sind und eigentlich überall irgendwo eine Überwachungskamera hängt, führt ihre Suche auch rasch zum Ziel.
Freudentränen fließen dabei nicht. Im Moment des Wiedersehens ist Gabriel nämlich damit befasst, seine Aufmerksamkeit einem Verfolger zu widmen, der ihn belauert und Jason-Bourne-mäßig ins Jenseits befördert werden will. Was ebenso mit einer finsteren Söldneragententruppe namens „Asgard“ zusammenhängt wie Gabriels Verschwinden im Chaos des Tsunamis 2004 oder der Reaktorunfall in Kasachstan, der Claires Karriere bei Hexatom beendet hatte.
Wie ein Uhrwerk dem Finale entgegen
Nun entfaltet sich der Sabotage-Thriller entfalten, den sich die Drehbuchautoren Franck Philippon, Bénedicte Charles und Olivier Pouponneau ausgedacht haben: Claire wird von Gabriel, der in Abu Dhabi unter falschem Namen als Tauchlehrer arbeitet, in die Welt der Industrie-Spionage gezogen, findet sich bald vor Computern wieder, deren Daten sie in windeseile abzuzapfen versucht, und scharf geschossen wird auch.
Das schweißt einen nicht durchweg ans Sofa. Dazu fehlt es den Charakteren trotz der Familiengeschichte der Kohlers, deren Filius sich mit den Kindern reicher Emiratis anfreundet, einfach zu sehr an menschlicher Wärme, und aus dem mühsam aufgepumpten Spannungsballon verpufft immer wieder die Luft (mal schaun, wie das bei den nächsten Projekten der „European Alliance“ so läuft: angekündigt sind eine Mystery-Serie namens „Survivors“, „In 80 Tagen um die Welt“ sowie die Serienfassung von Frank Schätzings „Der Schwarm“).
Trotzdem schnurrt der vom kanadischen Regisseur Louis Choquette inszenierte Sechsteiler, den das ZDF in drei Doppelfolgen zeigt, wie ein Uhrwerk dem Finale in der Wüste entgegen – wo Claires frühere Kollegin Birgit (Jeanette Hain) für die Sicherheit des neuen Hexatom-Projekts zuständig ist. Für Tierfreunde gibt es einen Falken, für Autofreunde einen Geländeporsche und für Geschichtsnerds, die wissen, dass die Stadthistorie von Abu Dhabi mit den Perlenfischern begann, Muscheln zu sehen.
Die ersten beiden Folgen von Mirage laufen an diesem Sonntagabend von 22.15 Uhr an im ZDF.