Matt Groenings „Disenchantment“ : Bart Simpson ist jetzt Prinzessin
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Sieht aus wie die Gegenwart auf Twitter, meint aber ein fiktives Mittelalter im Phantasie-Königreich „Dreamland“: In „Disenchantment“ liefern Waffen oft die besseren Argumente. Bild: Netflix
Bäumchen wechsle dich: In der launigen Trickfilmserie „Disenchantment“, dem neuesten Streich des „Simpsons“- Schöpfers Matt Groening, schlüpfen alte Bekannte in neue Rollen und Geschlechter.
Bart Simpson, der Lausejunge aus Springfield, hat jetzt lange Haare und eine gesunde Hautfarbe. Er ist eine junge Frau in den Teenager-Jahren, heißt Bean (eigentlich Tiabeanie) statt Bart, trinkt gern Vergorenes und lebt in Krawall-Phantásien – genauer, im Königreich „Dreamland“. Das wiederum ist eine bunte Mischung aus einem dunklen Mittelalter, wie es sich mittelalte Amerikaner für ein Europa von vor tausend Jahren vorstellen, und einem Hollywood zur Geisterstunde – also voller Albträume, verdeckter Abszesse und Abgründe. Was ist da passiert?

Redakteur im Feuilleton.
Matt Groening wollte es – nach nunmehr fast zwanzig Jahren – noch einmal wissen, wie er der „Welt“ unlängst in einem Interview erzählte. Nach den sehr gelb-gegenwärtigen „Simpsons“, die mittlerweile in der dreißigsten Staffel angekommen sind und nächstes Jahr ihren dreißigsten Geburtstag feiern, und nach der weniger gelben, aber umso zukunftsorientierteren Serie „Futurama“, die leider nach sieben Staffeln abgesetzt wurde, weil die Mathe-Physik-Nerd-Witze für die breite Masse zu anspruchsvoll waren, hat sich Groening nun einer fiktiven Vergangenheit zugewandt.
Der Rückfall steht uns noch bevor
Das stimmt nicht ganz: Geht es nach Groenings Universum, in dem stets alles mit allem verschränkt wird, dann befinden wir uns in der Zukunft. In „Futurama“ wird der Protagonist und rothaarige Pizzabote Fry für tausend Jahre schockgefroren und wacht im Weltraumreisezeitalter wieder auf. Während dieser Tiefkühlzeit zeigt die Serie im Zeitraffer die Dinge, die um ihn herum passieren: Ufos zerstören die Zivilisation, Tannen wachsen, mittelalterliche Burgen entstehen; wieder Ufos und zack, die Zukunft. Der Rückfall ins Mittelalter steht uns also demnach noch bevor, ob Ufos vonnöten sind, bleibt offen.
Bart Simpson aber ist jeder Serie in der einen oder andern Form erhalten geblieben: als chaotisch-diabolisches und dennoch stets liebenswertes Element; als das ewige Kind, das im Tun eines jeden Erwachsenen Quelle und Lösung aller Probleme ist und von einer Neugier angetrieben wird, die weder Tod noch Teufel scheut, wenn es denn dem eigenen Erkenntnisdrang dient – nun also als neunzehnjährige Prinzessin Bean (gesprochen von Abbi Jacobson).
Anders als in der Serie „Futurama“, in der ein knallbunter Reigen außer- und irdischer Einzelkämpfer zu einer Familie werden musste, steht in „Disenchantment“ die Familie von Beginn an im Vordergrund, diesmal in Patchwork-Form. Beans Vater, König Zøg (John DiMaggio, in „Futurama“ als Roboter „Bender“) ist nach dem Tod seiner Gemahlin Dagmar, Tiabeanies Mutter, in zweiter Ehe und politischer Absicht mit der aufgetentakelten, mysteriösen Königin Oona (Tress MacNeille, unter anderem die Katzenlady aus den „Simpsons“) aus dem Sumpf-Königreich verheiratet. Sie haben einen derangiert wirkenden Sohn, Derek, der – zum Verdruss seines Vaters – als Thronerbe vorgesehen ist.
Da fallen, rollen, purzeln und plumpsen die Comic-Gliedmaßen
Bean wiederum soll in der Auftaktfolge gegen ihren Willen mit dem Prinzen von Bentwood verheiratet werden. Doch der stirbt unter komischen Umständen und mit einer Verneigung vor dem Fantasy-Epos „Game of Thrones“. Nun ganz rebellische Prinzessin und damit mehr klassische Figur der Komödie als dezidiert starke Frau, wird Bean mit Sidekicks ausgestattet – dem „Personal Demon“ Luci (Eric Andre) – „Nun bist Du auf ewig verflucht!“ –, und mit Elfo, dem Elf (Nat Faxon, Koautor von „The Descendants“). Bei Letzterem ist die Verwandtschaft zu den Simpsons vor allem optisch vorhanden: Er ist eine Art grünhäutige Version von Bart.