Neue Serie „Star Trek: Picard“ : Veteranen sind die neue Jugend
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Kapituliert: Jean-Luc Picard (Patrick Stewart) mit Raffi (Michelle Hurd) Bild: Trae Patton/CBS
Einer der verdientesten und beliebtesten Weltraumhelden kehrt zurück auf die Schirme: „Star Trek: Picard“ fragt, wozu wir in Zukunft die Alten brauchen werden, die wir noch nicht sind.
Alte Wut ist die wildeste; sie kann ein langes Leben wie Papier zerknittern und in Brand stecken. Alte Leute können sich, weil sie eh nicht mehr viel zu hoffen haben, einer Sache verschreiben, statt Vorgesetzten zu schmeicheln. Sie werden, wenn alle länger leben, vielleicht bald das, was bislang die Jugend ist: Reservoir der Rücksichtslosigkeit, die man braucht, um die Zukunft zu knacken.

Redakteur im Feuilleton.
In der Serie „Star Trek: Picard“ geht es um einen Pensionär von übermorgen, der seine Sternenflotte im Zorn verlassen hat, den mobilen Arm einer Föderation intelligenter Arten im All. Die Heimatsonne der sogenannten Romulaner, die niemand leiden kann (nicht mal die Romulaner) ist vor Jahren explodiert; der Pensionär, damals Admiral, versuchte seinerzeit, die Bedrohten per Umsiedlung zu retten. Einige in der Föderation sahen das nicht gern. Als dann künstliche Menschen den Mars in die Luft jagten, erließ der kosmische Bund ein Verbot synthetischer Geschöpfe und überließ aus Gründen der Ressourcenallokation zur Krisenbewältigung die Romulaner sich selbst.
Admiral Picard, der seinen Aufträgen oft andere geopfert und sich selbst dabei nie geschont hatte, nahm seinen Abschied und zog sich auf sein Familienweingut in Frankreich zurück. Nach dieser Vorgeschichte besucht ihn dort zum Serienauftakt eine junge Frau, die in obskurem Verwandtschaftsverhältnis zu einem toten Freund des Zurückgezogen steht, dem Androiden Data. Ist sie eine Gynoidin, ein Geschöpf, dass es von Gesetz wegen nicht geben sollte? Ist eine Endzeitsekte hinter ihr her, die den romulanischen Geheimdienst unterwandert hat?
Den Alten, der das klären muss, kennen Fan aus der Serie „Star Trek: The Next Generation“ (ab hier kurz: „TNG“), die zu einem prinzipiell uferlosen Erzählkosmos gehört, der 1966 mit der Original-Fernsehshow „Star Trek“ geboren wurde und mittlerweile diverse Serien, Spielfilme, Bücher, Comics und Computerspiele umfasst.
Picard half „Star Trek“ beim Erwachsenwerden, hilft er jetzt beim Altern?
Zur breiten Musik von Jeff Russo, der genau weiß, wo und wann er ein Fanfärchen aus dem „Star Trek“-Klangarchiv auf seine wehenden Weltraumopernfahnen sticken muss, geht‘s in „Star Trek: Picard“ unter Inanspruchnahme der Talente von Schreibgrößen wie Michael Chabon darum, herauszufinden, ob die seit den Achtzigern von Patrick Stewart gespielte Titelfigur noch einmal dazu beitragen kann, dem „Star Trek“-Gedanken einen neuen Reifegrad zu erschließen. 1987 half sie „Star Trek“ beim Erwachsenwerden: Während der von William Shatner gespielte Captain James Tiberius Kirk bei Showbeginn ein Dreiunddreißigjähriger gewesen war, der sich wie ein hormonell übersteuerter Teenager benahm, trat Picard mit achtundfünfzig Jahren ins Bild und leitete, anders als Kirk, gefährliche Missionen außerhalb des Schiffes nicht gern persönlich vor Ort, sondern lieber als Meisterstratege von der Brücke aus.
Unserer Gegenwart gemäß ist bei „Star Trek: Picard“ zweierlei: Dass man erstens anders als bei „TNG“, aber genau wie bei neueren Serien der Größenordnung „Game of Thrones“ oder „The Walking Dead“ nie sicher sein kann, wer eine gegebene Situation überlebt, und dass das Ensemble schauspielerisch zweitens alles übertrifft, was früher im Fernsehen üblich war, von der gläsern harten, transparenten und funkelnden Vorstellung als Künstliche-Intelligenz-Forscherin, mit der die aus „American Horror Story“ bekannte Alison Pill selbst Meister Stewart ein paar Szenen stiehlt, über die komödiantischen Mehrdeutigkeiten von Santiago Cabrera als Captain Rios bis hin zu Isa Briones als Zwillingsautomatin, um die sich alles dreht und der davon mitreißend schwindlig wird.