RTL-Serie „Herzogpark“ : Im Münchner Nordosten wächst ein Dschungel
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Szene aus „Herzogpark“ mit Felcitas Woll, Jeanette Hain und Heiner Lauterbach Bild: RTL
Die RTL-Serie „Herzogpark“ handelt von reichen Leuten und versucht, dabei so böse, zynisch und verdorben zu sein, wie es sich das deutsche Fernsehen sonst nicht traut.
Der Herzogpark, eines der teuersten Viertel im ohnehin unbezahlbaren München, liegt nordöstlich der Innenstadt zwischen der Isar und dem Hochufer und hat, aus der Perspektive von Google Maps betrachtet, die Form einer Gurke, länglich und leicht gebogen – wobei sich die Bewohner des Herzogparks diesen Vergleich wohl verbitten würden: zu gewöhnlich, zu billig, zu derb für den anspruchsvolleren Geschmack der Leute hier.
Wer zu Fuß durch die Straßen des Viertels spaziert, kommt womöglich in der Poschingerstraße vorbei, an der Replik der Villa, die sich Thomas Mann vor knapp 110 Jahren hier bauen ließ. Ein paar Häuser weiter residiert das Ifo-Institut, um die Ecke hat der Hanser Verlag seinen Sitz. Und am Nordrand des Viertels stand bis vor zehn Jahren das „Grüntal“, ein Wirtshaus mit einem schönen Garten, schnöseligen Kellnern und einer Karte, die anspruchsvolles Münchner Essen versprach, was die Küche aber immer weniger einhalten konnte, weshalb auch die Jaguars auf dem Parkplatz immer weniger wurden.
Das Wirtshaus warf zu wenig ab für die Ansprüche des Immobilienbesitzers; an der Stelle des „Grüntals“ steht hier jetzt ein Appartementhaus, das nach dem Willen der Entwickler „Leisure Living“ genannt werden soll – und wer in den vergangenen Jahren auf die Website stieß, die das Projekt vermarkten sollte, konnte, angesichts der armseligen, aber umso lauteren Anpreisungstexte, nur denken: Aha, die Zeiten, da der Herzogpark auch „Klein Weimar“ hieß und ein Opernpremierenabonnement und eine ernst zu nehmende Bibliothek die Voraussetzung waren, wenn jemand hier dazugehören wollte, scheinen endgültig vorbei zu sein.
Die schöne Kunst des Beleidigens
Und so ist es vielleicht nur realistisch, wenn die Menschen, die in der RTL-Serie „Herzogpark“ im Herzogpark wohnen, zwar reich sind (oder zumindest so tun), aber meistens auch zu laut, zu direkt und ein bisschen zu vulgär angezogen für die traditionellen Münchner Verhältnisse. Und nur wenn die Drehbuchautoren einen sehr hellen Moment hatten, also ein- bis zweimal je Folge, verfügen sie über jene Fähigkeit, die doch zu den wichtigsten Statusmerkmalen der Münchner besseren Leute gehört: im weichen, bürgerlichen Singsang und mit fehlerfreier Höflichkeit starke Bosheiten so zu formulieren, dass der Beleidigte erst einmal denkt, man habe ihm Komplimente gemacht.
Diese Variante des Dialekts, die nach Maximilianstraße und Salzburger Festspielhaus klingt, beherrscht in der Serie aber nur einer, der Nichtbayer Heiner Lauterbach. Er spielt den Bösewicht, einen Immobilienunternehmer, dem der Bankrott droht, wogegen er sich mit allen kriminellen Mitteln zu wehren versucht. Keine schlechte Voraussetzung eigentlich als Grundlage einer Serie; den Münchner Immobilienmarkt kann man nur als System des Irrsinns beschreiben – schon im Versuch, ein Reihenhäuschen aus den Fünfzigern zu einem bezahlbaren Preis zu bekommen, steckte genug absurdes Potential, um damit eine sechsteilige Miniserie mit Witz, Verzweiflung und Wut zu versorgen.
Aber von der ökonomischen Wirklichkeit der Stadt, in der sie spielt, hat diese Serie so viel Ahnung wie von der kulturellen und sozialen: null Komma null. Was allerdings kein Mangel wäre, wenn Drehbuch und Inszenierung dieser Wirklichkeit eine Welt gegenüberstellen könnten, die eben größer, bunter und gefährlicher wäre. Auch der „Monaco Franze“ war kein Werk des Realismus, sondern eher die in Hollywood erdachte München-Vision des Helmut Dietl.
Erpresser müssen sterben
Und genau in diese Richtung scheint auch die Ambition dieser Serie zu gehen: der Herzogpark als Herzogdschungel. Beverly Hills an der Isar, mit riesigen modernen Villen, großen Pools in den Gärten und Interieurs, denen man ansieht, dass der Innenarchitekt auf den Geschmack der Bewohner leider keine Rücksicht nehmen konnte. Ästhetisch ganz auf der Höhe ihrer Wohnzimmer sind die Bewohner – wobei es vor allem um die Bewohnerinnen geht: drei Frauen, die, wie Macbeths Hexen, am liebsten zusammen auftreten und gern auch so gefährlich wären. Jede von ihnen hat eine Rechnung offen mit dem Immobilienmann, weshalb sie ihn gemeinschaftlich vergiften, erschießen, erschlagen oder mindestens in einem Verlies verhungern lassen wollen, was aber gar nicht so einfach ist. Und weil der Mann zwei der drei Frauen mit Bildern von käuflichem, verbotenem oder sonst wie als abartig empfundenem Sex erpresst, unterläuft der Serie zumindest ein Realismus, der womöglich gar nicht intendiert war: Mit der Herausgabe der Bilder ist es im digitalen Zeitalter einfach nicht getan. Die Erpressung ist erst vorbei, wenn der Erpresser tot ist.
Als Geschichte eines Mordes, der einfach nicht gelingen will, ist „Herzogpark“ aber ziemlich unterhaltsam – und wenn in einer der ersten Folgen eine Dinnerparty komplett außer Kontrolle gerät, wenn erst die Frau des Immobilienmenschen eine Flüssigkeit übers Kleid geschüttet bekommt und dann dieses Kleid einfach auszieht und fast nackt sitzen bleibt, als wäre es das Allernormalste; wenn gleich darauf zwei Männer anfangen, einander zu würgen, und selbst der Inhalt einer großen Vase sie kaum stoppen kann; wenn also am Schluss das teure Esszimmer und alle Gäste einigermaßen verwüstet sind: Dann merkt man, dass das deutsche Fernsehen hier mit seinen beschränkten Mitteln immerhin versucht, Buñuels „diskreten Charme der Bourgeoisie“ nachzuspielen.
Beschränkt bleiben aber die Mittel, weil hier nirgendwo ein Abgrund zu sehen ist. Es ist, als hätte man dem üblichen Viertel-nach-acht-Personal erlaubt, endlich mal richtig verdorben, böse und hemmungslos vergnügungssüchtig zu sein. Eine Tiefe kommt davon nicht ins Spiel, eine moralische Herausforderung der Zuschauer schon gar nicht. Immerhin ist „Herzogpark“ damit aber schneller und vergnüglicher als das meiste, was sich deutsches Fernsehen sonst erlaubt.
Herzogpark läuft von heute an bei RTL+.