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Die Serie „Stumptown“ bei Sky : Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt

  • -Aktualisiert am

Warum so zerknirscht? Dex Parios (Cobie Smulders) ist hart im Nehmen. Bild: Sky

Schön Schlagfertig: In der Serien-Adaption der „Stumptown“-Comics mausert sich eine Afghanistan-Veteranin zur Privatdetektivin.

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          Man kann sie beinahe nicht mehr zählen: Krimiserien rund um eine Ermittlerfigur, die zwar beruflich genial, privat aber gehörig angeschlagen ist. Im Fall der Serie „Stumptown“ heißt das unter anderem Spielsucht, eine ungesunde Vorliebe für Whisky und ein Kriegstrauma, das sich offenbar nur durch One-Night-Stands verdrängen lässt. Auch daran ist nichts neu. Doch es gibt einen kleinen Twist: Die Hauptfigur ist diesmal eine Frau. Was das Ganze nur geringfügig origineller macht, zumal Dexedrine „Dex“ Parios (Cobie Smulders) auch nicht die erste Detektivin ist, der Klischees hartgesottener männlicher Ermittler auf den Leib geschrieben wurden. Man denke zum Beispiel an Marvels großartige Jessica Jones. Trotzdem wirkt es immer noch hinreichend frisch, auch mal eine Frau zu sehen, die im Casino die Fassung verliert, Freunde und Familie vernachlässigt oder sich mit windigen Typen prügelt, und zwar nicht in einer auf mühelose Überlegenheit getrimmten Choreographie, sondern rauh und unelegant, aber meistens effektiv.

          Dex kann sich durchschlagen, auch im übertragenen Sinne. Der Kontakt zu ihren Eltern ist schon lange abgebrochen. Um ihren Bruder Ansel (Cole Sibus), der das Down-Syndrom hat, kümmert sie sich allein. Geld ist immer knapp, karrieretechnisch hat die Mittdreißigerin kein Bein mehr auf den Boden bekommen, seit sie aus dem Militärdienst in Afghanistan zurückgekehrt ist. Dorthin trieb sie ein gebrochenes Herz, nachdem sie von ihrem Jugendfreund Benny verlassen worden war, weil dessen Mutter nicht mit der Beziehung einverstanden war. Benny heiratete eine andere Frau, wurde Vater und folgte schließlich doch seiner großen Liebe mitten ins Kriegsgebiet, mit fatalen Folgen.

          Stumptown ist nicht auf Binge-Watching ausgelegt

          Und ausgerechnet bei Bennys unerbittlicher Mutter Sue Lynn Blackbird (Tantoo Cardinal), die als amerikanische Ureinwohnerin in Oregon ein Casino betreiben darf, hat Dex nun einen signifikanten Spielschuldenberg angehäuft. Was sie zu ihrem ersten Fall bringt: Wieder hat eine von Blackbird untersagte Beziehung die Familie ins Chaos geführt, diesmal, weil Bennys minderjährige Tochter mit ihrem Freund durchgebrannt ist, um dem unglücklichen Schicksal ihres Vaters zu entgehen. Und da die etwas zwielichtige Geschäftsfrau mit der Polizei so wenig wie möglich zu tun haben will, drängt sie die verschuldete Dex, die Sache zu regeln. Diese sagt widerwillig zu und gerät schon bald in Konflikt mit den örtlichen Behörden, was schließlich zu einer Liebelei, viel wichtiger aber zu dem Rat führt, ihr Talent nicht mit krummen Nummern zu vergeuden, sondern sich um eine ordentliche Lizenz für Privatdetektive zu kümmern.

          Eine solche bekommt Dex dann in der dritten von insgesamt 18 Folgen und bearbeitet von nun an in jeder Episode einen neuen Fall. Handlungsstränge zu Dexs Vergangenheit und den kriminellen Verwicklungen ihres besten Freundes Grey (Jake Johnson) begleiten die Zuschauer über die gesamte Staffel hinweg und animieren zum Dranbleiben. Doch diese Adaption der „Stumptown“-Comics (Greg Rucka, 2010) ist keine Serie, die darauf angelegt ist, sie in Netflix-Manier über Stunden oder gar ganz am Stück zu schauen. Hier kann durchaus auch mal eine Folge verpasst werden, ohne dass man in der Woche darauf ratlos vor dem Bildschirm sitzt.

          Damit passt die Serie ins Profil ihres Heimatsenders ABC, der mit seinen Serien-Flagschiffen wie „Greys Anatomy“ (seit 2005) und „Modern Family“ (2009–2020) eher auf Massentauglichkeit zielt und konventionelle Fernsehgewohnheiten des Einschaltens in lockerer Regelmäßigkeit bedient. Für leidenschaftliche Streamer mag das anachronistisch wirken, könnte aber auch eine willkommene Entspannung bieten, zumal in Zeiten von Corona immer mehr Menschen eine regelrechte Hassliebe zu ihren heimischen Bildschirmen entwickeln, die gleichzeitig Fenster zur Außenwelt und Symbol für die Isolation sind.

          Ein guter Grund, regelmäßig zu „Stumptown“ zurückzukehren, ist die Hauptdarstellerin Cobie Smulders, die hier quasi eine Mischung aus ihren prägendsten Rollen spielt: der Action-Heldin Maria Hill im Kino-Universum von Marvel und der romantisch herausgeforderten Robin Scherbatsky aus der Sitcom „How I Met Your Mother“. Auch ihr Kumpel Grey dürfte Sitcom-Freunden ein Begriff sein: Genau wie als Nick in der Serie „New Girl“ spielt Jake Johnson auch hier einen Barbesitzer mit trockenem Humor, auf den Verlass ist, wenn er nicht gerade selbst mal wieder in Schwierigkeiten steckt. Diese Konstellation sorgt für dynamischen Humor und lockere Action. Nur die dramatische Tiefe, die Dexs traurige Vorgeschichte mit sich bringen soll, stellt sich zumindest in der ersten Staffelhälfte nicht so recht ein.

          Stumptown, dienstags, 20.15 Uhr, Sky One.

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